FPG138 – Teamführung in Deutschland und in Brasilien – Interview mit Domitila Barros
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Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich auf den FinnoDay der Firma Solit Finance einen Vortrag über Mitarbeitermotivation gehalten.
Dort lernte ich eine außergewöhnliche junge Frau kennen: Domitila Barros. Sie hielt ebenfalls einen Vortrag und zwar über Teamführung und Teamarbeit.
Domitila Barros
Domitila Barros ist Brasilianerin. Sie wurde 1984 in der Favela „Linha do Tiro“ (zu deutsch: Schusslinie) im brasilianischen Recife geboren und ist dort im Armenviertel auch aufgewachsen. Der Begriff Schusslinie ist wörtlich zu nehmen.
Ihre Eltern gründeten dort vor 30 Jahren das CAMM-Hilfsprojekt zur Hilfe von Straßenkindern, in dem auch Domitila später aktiv war. 2006 erhielt sie ein Stipendium und absolvierte ihren Master in Sozial- und Politikwissenschaft in Deutschland.
Seitdem unterstützt sie das Hilfsprojekt aus der Ferne neben ihrem eigentlichen Beruf. Da managt und betreut sie Menschen aus Sport und Showbusiness.
Sie kennt absolute Armut wie auch die ständige Bedrohung durch Kriminalität. Trotz oder vielleicht gerade wegen fehlender Ressourcen und extrem schwierigem Umfeld hat sie gelernt sich durchzubeißen und erfolgreich zu sein, mit Zeitdruck und Stress auszukommen und sie kann mit allen möglichen Arten von Menschen umgehen – ob mit einem Bürgermeister, einem Obdachlosen, einem Manager oder einem Kriminellen.
Zwei Welten
Mein Freund und Podcastkollege Detlef Massorz hat sie bereits letztes Jahr zu ihrem bisherigen Lebensweg in seinem Podcast „Go4QualityTime“ Folge 13 interviewt. Der Titel der Folge:
„Zwei Welten: Wohlstandsgesellschaft und der Kampf ums nackte Überleben!“
Hören Sie da mal rein. Ich verlinke die Podcastfolge in den Shownotes.
Mit Domitila im Gespräch über Teamführung
Ihr Vortrag über Teamführung hatte mich sehr beeindruckt. Sie zeigte dort auf, dass sie schon sehr früh die Fähigkeit entwickeln musste, erfolgreich mit täglich bedrohlichen Lebensumständen umzugehen.
Als jemand der in den Slums aufgewachsen ist, schilderte sie anschaulich, wie wichtig dabei die Sinnhaftigkeit und das Verständnis der eigenen Tätigkeit für die persönliche Belastbarkeit und Resilienz ist und wie wichtig das für die Führung eines Teams in einem solchen Umfeld ist.
Deshalb fand ich es sehr spannend, mich mit ihr mal in meinem Podcast über das Thema Führung und die Unterschiede bei Teamführung in Deutschland und in Brasilien zu unterhalten.
Das transkribierte Interview mit Domitila Barros
Geropp:
Domitila, was bedeutet Führung für dich?
Barros:
Führung bedeutet für mich die Fähigkeit zu besitzen, sich für andere nicht nur einzusetzen, aber auch zu repräsentieren und in der Lage zu sein, die verschiedenen Bedürfnisse und Fähigkeiten in die richtige Richtung zu lenken.
Geropp:
Das heißt also beim Führen eines Teams hilfst Du den Leuten, dass die ihren Job machen können. Du bewahrst sie quasi vor der Außenwelt? Kann man das so sagen? Du hilfst ihnen, dass sie nicht demotiviert werden, damit sie ihren Job machen können?
Barros:
Jein. Ich sehe das so, dass ein Team zu führen, bedeutet für mich, die Verschiedenheit des Teams einzubinden und dem Team zu helfen, das gemeinsame Ziel zu erreichen.
Ich gehe davon aus, dass ein Team funktioniert, so wie meine Hand. Und meine Hand ist ganz anders als Deine Hand. Ich habe fünf Finger und jeder Finger ist unterschiedlich, aber ich mag die alle gleich. Und jeder in seinem Unterschied soll mir helfen einen Kuchen zu backen.
Geropp:
Okay. Wenn die fünf Finger deine Team-Mitglieder sind, wer bist du dann?
Barros:
Ich würde sagen, ich wäre dann die Hand an sich, die ein bisschen den Teig backt, die die Richtung auch ein bisschen lenkt in dem Sinn. Wir haben als Team ein Ziel zu erreichen. Ich versuche dann erstmal eine Verbindung zu bekommen. Also dass die zusammenkommen, um dann jedem in seinem Unterschied und die Stärke dieses gemeinsame Ziel zu erreichen. Sehr oft kommt das gemeinsame Ziel von außerhalb des Teams.
Geropp:
Kannst du mal ein Beispiel geben? Was wäre dieses Ziel, was von außen kommt?
Barros:
Angenommen wir arbeiten in einem Unternehmen und dieses Unternehmen hat ein neues Ziel gesetzt für das Jahr 2016. Das hat nichts zu tun mit unserer Fähigkeiten, Kompetenzen oder Stärken, aber dieses Ziel soll erreicht werden.
Die Führung sollte die Rolle spielen, die Unterschiede und die Stärke zusammen zu verbinden und zu lenken, um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen, weil ich davon ausgehe, dass ab dem Moment, in dem das ein gemeinsames Ziel ist, ist es leichter zu erreichen, im Gegensatz zu etwas nur Externem.
Geropp:
Das heißt, du musst aus diesem externen Ziel, was dir als Führungskraft gegeben wird, es hinkriegen, dass das Team auch hinter diesem Ziel steht?
Barros:
Genau. Ich glaube, das ist auch eine motivierende Funktion, weil ab dem Moment, ab dem das Team sich für das Ziel einsetzt, ist es viel leichter darauf hin zu arbeiten dieses Ziel zu erreichen, als wenn nur ich daran arbeiten würde das Ziel als Leitung oder von einem Externen zu erreichen.
Geropp:
Wenn wir das Ziel haben, ein motiviertes Team zu haben, wie funktioniert das dann mit der Motivation im Team? Wodurch wird die Motivation deiner Ansicht nach besonders unterstützt? Wie kriege ich es hin ein motiviertes Team zu haben?
Barros:
Ich bin der festen Überzeugung, dass der erste Schritt sein sollte, ein Vorbild für sein Team zu sein. Das habe ich schon in meiner Kindheit gelernt, das kommt auch von dem Erziehungsbereich,
„Mach nicht, was ich sage, mach was ich mache.“
Wenn man so mit seiner Tätigkeit umgeht, erreicht man viel mehr, als wenn man zum Beispiel durch Gehaltserhöhung oder andere Werkzeuge versucht, die Motivation zu anzuregen.
Und ab dem Moment, wenn die Führungsposition auch eine Vorbildfunktion übernimmt, glaube ich, ist es viel leichter sich zu motivieren. Ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, um ein Team zu motivieren, dass die Führungskraft und das Team beziehungsweise die Mitarbeiter verstehen, worum es geht und dass sie verstehen, welches Ziel sie erreichen wollen.
Ich finde wichtig, dass das über die Verstehens-Ebene gelingt. Ich glaube, dass die Aufgaben aufgeteilt werden sollten und man soll diese Aufgaben erledigen, um schneller fertig zu sein. So erreicht man ein Ergebnis.
Wenn man aber die Möglichkeit hat zu verstehen, was man tut, warum man das tut und welches Ziel man erreichen möchte, indem man das tut, dann kann das Ergebnis ein komplett anderes sein. Und meine Erfahrung war so, dass es in der Regel ein besseres Ergebnis war.
Geropp:
Das kann ich gut verstehen. Gerade dieses Warum ist ja auch dann entscheidend, wenn ich möchte, dass meine Team-Mitglieder selbständig Entscheidungen treffen können. Das können sie ja nur, wenn sie wissen, wo wir hin wollen, warum wir das machen, um auch, wenn nicht alles genau vorgegeben ist, zu wissen, wie sie entscheiden sollen?
Barros:
Ja, und ich glaube auch, dass jeder Mensch unterschiedlich ist. Manche arbeiten gern vormittags, andere arbeiten lieber nachts. Manche sind eher über die Visual-Ebene zu erreichen, andere über die emotionale Ebene zu erreichen, andere über die kognitive Ebene zu erreichen.
Und ab dem Moment, wenn wir ein Team sind, sollen wir mit unseren Unterschieden gemeinsam etwas erreichen können. Und deshalb finde ich wichtig, dass man, obwohl man in einem Team ist, man auch selbständig arbeiten darf, indem man die Sache verstehen kann und verwirklichen kann.
Ich finde, das ist sehr wichtig auch diese Möglichkeit zu bekommen, obwohl man in einem Team ist, selbständig denken und arbeiten zu können. Weil, wenn man versteht, was das Ziel ist, muss man nicht identisch sein, in derselben Zeit, in dem selben Takt, um das Ziel zu erreichen. Man kann in seinem Unterschied genau das dazu bringen zu dem Team, was das Team braucht, um das Team zu ergänzen.
Ich finde auch den Gedanken sehr schön, dass ein Team da ist, um aus unterschiedlichen Menschen eine Ergänzung zu verschaffen, das Beste daraus zu machen. Weil, wenn wir alle identisch denken, arbeiten und funktionieren würden, könnten wir uns nicht ergänzen.
Geropp:
Das wäre auch ziemlich langweilig.
Barros:
Genau.
Geropp:
Du hast ja beide Welten kennengelernt: Du kennst Brasilien. Du kennst Deutschland. Vor allem, Du kennst nicht nur das Land, die beiden Länder an sich, sondern vor allem auch, wie man dort arbeitet. In Brasilien, wie auch in Deutschland.
Was ist für dich der größte Unterschied oder die größten Unterschiede, gerade wenn es um Führung von Teams geht zwischen Deutschland und Brasilien?
Barros:
Ich glaube, ein großer Unterschied ist die hierarchische Achtung, wie gearbeitet wird. Es ist in der Regel so: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass in Deutschland die Anzahl von Mitarbeitern in einem Team kleiner ist als im Vergleich mit einem brasilianischen Team.
Das heißt, ein Leiter in Brasilien hat wahrscheinlich doppelt so viel Mitarbeiter zu managen wie einer in Deutschland. Das trägt dazu bei, dass die Qualität der Arbeit ein bisschen anders ist und die Position, die diese Führungskraft auch übernimmt. Auch bei Machtspielchen würde ich behaupten. Und das, glaube ich, ist ein großer Unterschied.
Der zweite große Unterschied für mich ist die Erfahrung, die ich auch gemacht habe, dass in den Teams in Brasilien tatsächlich daran gearbeitet wird, ein Ziel zu erreichen. Und in Deutschland wurde sehr oft auf der Stundenkontingent-Ebene gearbeitet.
Ich finde es viel wichtiger produktiv zu sein, als busy zu sein. Ich glaube, beide Möglichkeiten gibt es in beiden Ländern. Nichtsdestotrotz habe ich die Erfahrung gemacht, dass in Deutschland die Zeit und Arbeit vielmehr eingebunden sind, als Ziel und Arbeit.
In Brasilien habe ich oft die Erfahrung gemacht, man bekommt eine Aufgabe. Diese Aufgabe soll erledigt werden. Also das Team versucht schnellst möglich dieses Ziel zu erreichen.
Die Erfahrung, die ich in Deutschland gemacht habe, war eher so, man hat ein Stundenkontingent, um eine Arbeit zu gewährleisten. Das ist auch eine Sicherheit, aber kann auch ein Grund für Erkrankung sein, wenn man in der Arbeit dadurch einen ganz anderen Druck erleben darf.
Geropp:
Hast du das Gefühl, dass das wirklich ein Unterschied zwischen Deutschland und Brasilien ist oder hängt das nicht auch sehr stark mit der Art des Teams zusammen. Das Team, das Du geführt hast, war ja ein im sozialen Bereich tätiges Team in Brasilien und hier in Deutschland war es, mehr ein fast produktionsmäßiges Team. Kann das auch ein Unterschied gewesen sein?
Barros:
Ich habe sowohl in Brasilien, als auch in Deutschland Teams geleitet, die sich mit sozialpädagogischen Themen auseinandersetzen. Deshalb glaube ich, dass der Hintergrund vom Aufgabengebiet sehr ähnlich ist.
Nichtsdestotrotz, erfahrungsgemäß würde ich sagen, das ist landbezogen, weil ich diese Erfahrung in verschiedenen Ländern gemacht habe. Aber ich habe tatsächlich in beiden Ländern eine Besonderheit in den Teams gehabt. Weil der Schwerpunkt war immer sozialpolitisch, pädagogischer Hintergrund.
Geropp:
Okay. Dann ist es schon vergleichbar. Ich verstehe.
Barros:
Das ist schon vergleichbar.
Geropp:
Okay. Woraus resultiert das Deiner Meinung nach? Warum ist dieser Unterschied so?
Barros:
Für mich, die Erklärung wäre, es ist eine Frage der Geschichte, also wie eine Gesellschaft entsteht. Wie ist die Ausbildung gestrickt? Wie ist der Einstieg auch in den Beruf?
Dazu möchte ich eine Deiner vorherigen Fragen ergänzen: Wir reden über Team-Arbeit. Und es ist tatsächlich so, dass in der Entscheidungsebene in beiden Ländern, beiden Teamleitern bewusst ist, welche Ziele zu erreichen sind und beide dadurch auch ihre Zeit danach richten können.
Aber die Erfahrung, die ich gemacht habe, war, dass in Brasilien und Deutschland, dass wenn es zu dem Team kommt, die Transparenz und die Hierarchie von diesem Aufgabengebiet und Zeit anders aufgeteilt wird.
Geropp:
Okay. Das heißt, wenn ich dich richtig verstehe, in Deutschland würde man nicht so viel Zeit dafür verwenden, das „Warum“ zu erklären, sondern man sagt,
„Mach das, das ist deine Aufgabe. Ich weiß schon, was gut ist, was richtig ist. Kümmere dich darum.“
Und in Brasilien spricht man mehr darüber,
„Warum machen wir das?“
und dadurch gibt es mehr Motivation im Team, wenn ich dich richtig verstehe?
Barros:
Wenn nicht Motivation, zumindest ein anderer Zusammenhalt. Weil in Brasilien, so zumindest meine Erfahrung, war es so, dass die Qualifizierung eines Teams udn Teammitglieder ganz anderes ist als in Deutschland.
Zum Beispiel, wenn in meiner Wohnung etwas kaputt geht und ich einen Fliesenleger anrufe, werde ich einen Meister anrufen. In Brasilien besteht nicht die Möglichkeit einen Meister zu bestellen, man muss jemanden nach Empfehlung finden, jemand der positive Erfahrungen gemacht hat und diese Person empfiehlt jemanden, der mir meine Fliesen dann reparieren kann.
In diesem Prozess werde ich mir wahrscheinlich als Leiter viel mehr Zeit nehmen, Sachen zu erklären, vorzustellen, weil ich, in dem Fall, wenn ich einen Mitarbeiter bekomme, der vier Sprachen beherrscht, frisch aus der Uni kommt, drei Praktikas in drei verschiedenen Kontinenten absolviert hat und meines Erachtens schon ein gewisses Wissen und Vorarbeit mitbringt, dann glaube ich, spielt es auch eine Rolle in dem Umgang innerhalb des Teams. Zusammenhalt und hierarchische Gleichstellung.
Geropp:
Okay. Ja. Das ist sicherlich, dass in Deutschland es viel mehr Möglichkeiten gibt, jemanden sehr kurzfristig zu bewerten aufgrund seiner Ausbildung oder seiner Diplome oder sowas. Das ist ja auch typisch Deutsch.
Während du in einem Land wie Brasilien anders vorgehst. Da gilt mehr, ob der das wirklich kann und von anderen empfohlen wird. Der hat das nicht das nicht schriftlich, sondern da gibt es Leute, die für ihn sprechen, aber um damit jemand für ihn spricht, muss natürlich viel gesprochen werden. Also resultiert das daraus. Das verstehe ich, das macht Sinn für mich.
Du hast es vorhin schon gesagt, ich möchte die Frage aber trotzdem noch mal stellen: Wie wichtig sind Belohnungen, Anreize für den Erfolg eines Teams?
Barros:
Ich glaube, Belohnung und Anreiz ist sehr wichtig. Von meiner Perspektive, aber das hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun. Ich glaube, Belohnung kann man in verschiedener Art und Weise interpretieren.
Ich habe die Erfahrung gemacht – sowohl in Deutschland, wie auch in Brasilien – dass ein Team gespalten werden kann, wenn das Ziel erreicht ist und man das Gefühl bekommen hat, dass man nicht belohnt wurde.
In der Regel hat das aber nichts mit Gehaltserhöhungen zu tun oder mit einem Extra-Urlaub, sondern mit Wertschätzung. Ich glaube, es sind menschliche Sachen. Wir sind so groß geworden, dass wenn man etwas Gutes macht, wird man entweder belohnt oder man bekommt ein Kompliment. Wenn man aber was Schlechtes tut, wird man korrigiert. Und ich glaube, in der beruflichen Ebene ist es sehr oft so, dass die Konsequenzen von einem Fehlverhalten sehr schnell zu spüren sind, aber die Belohnung nicht so oft zu spüren ist.
Geropp:
Man kriegt schnell ein negatives Feedback, aber beim positiven Feedback, was man eigentlich bräuchte, wird dieses schwäbische,
„Nicht geschimpft, ist genug gelobt.“,
verwendet.
Barros:
Ich wohne zum Beispiel in Berlin. In Berlin gibt es die Berliner Schnauze. Ich habe das am Anfang nicht einordnen können, wenn es zum Beispiel von einem Kellner so ein bisschen kommt wie, „Was willst du, ich habe nichts“. Das ist aber gut gemeint. Man muss es nur verstehen.
Und ich sehe die Belohnung, ich nehme die Belohnung über diese Ebene wahr. Über die Ebene der Wertschätzung. Angenommen ich habe einen Fehler gemacht beim Eintippen und aus diesem Grund werden jetzt alle Flüge von der Lufthansa 50 Prozent billiger jetzt gekauft, weil ich die falsche Zahl eingetippt habe.
Das ist ein Fehlverhalten, das muss auf jeden Fall eine Konsequenz haben. Aber wenn ich auf Grund dessen, dass ich eine großartige Idee gebracht habe und etwas gefruchtet hat, 500 neue Mitglieder zu einem Fitness-Studio bringe, dann gehe ich davon aus, dass dieser Mitarbeiter belohnt werden möchte und sollte.
Das hat aber nichts mit der wirtschaftliche, finanzielle Sache zu tun. Man kann ihn als Beispiel für andere Mitarbeiter verwenden und das auch als Motivation für andere Mitarbeiter nutzen. Und ich finde, die Belohnung über die Wertschätzung ist etwas sehr wichtiges in einem Team.
Und da stelle ich mir selbst immer wieder die Frage, was ist ein Team? Ein Team ist etwas Dynamisches. Ein Team ist etwas vielfältiges.
Ich habe gelernt, das erste Team ist die Familie, in der man geboren wurde. Es ist ein emotionales, geht über die emotionale Ebene, aber dann lernt man, wenn man Geschwister hat oder eine große oder eine kleine Familie, da fängt man schon ein bisschen an zu lernen mit Unterschieden umzugehen und sogar Unterschiede über die Pluralität wahrzunehmen und zu ergänzen. Also ergänzende Mechanismen, die zu einem großartigen Ziel bringen kann. Und wenn man ein Team über diese Art und Weise wahrnimmt, so wie ich es tue, finde ich wohl wichtig, dass es innerhalb des Teams Belohnung gibt in Form von Wertschätzung.
Weil die Erfahrung, die ich persönlich und als Leiterin von unterschiedlichen Teams gemacht habe, war, wenn der Mensch gesehen wird, freut sich der Mensch darüber. Besonders, wenn der Mensch etwas geleistet hat, das außerordentlich gut war oder einfach in einer alltäglichen Situation. Wenn der Mensch die Erfahrung der Wertschätzung macht, ist das eine sehr große Motivationsquelle und sogar auch eine Energiequelle.
Geropp:
Ich würde vor allem soweit gehen, dass ich sage, wenn man das nicht hat, wirkt das häufig als Demotivation. Ich brauche es gar nicht als Motivation, aber ich will die Rückmeldung haben, dass man mit mir zufrieden ist oder nicht. Das muss kein Lob sein, denn das kann auch in die falsche Richtung gehen, also wenn ich zum Beispiel gelobt werde, obwohl ich nicht wirklich etwas Besonderes gemacht habe. Dann macht das Lob auch viel kaputt. Es muss also Wertschätzung sein, wirklich in Form einer ehrlichen Rückmeldung.
Barros:
Genau.
Geropp:
Ich kenne Dich jetzt erst seit neun oder zehn Monaten, aber in der Zeit ist bei Dir unheimlich viel passiert.
Du bist jemand, der unheimlich viel weltweit unterwegs ist. Hast Du Tipps für Führungskräfte, wie man mit Stress umgeht? Du organisierst alles Mögliche, bist ständig unterwegs. Ich würde sagen, du bist häufiger im Stress. Wie gehst du damit um?
Barros:
Ich bin sehr oft im Stress. Ich mag auch positiven Stress, muss ich ehrlich zugeben. Ich glaube, ich brauche sogar ein bisschen Stress. Ich identifiziere mich auch manchmal ein bisschen durch Leistung, das muss ich auch ehrlich zugeben.
Ich mag es, wenn ich die Möglichkeit habe, ein Projekt zu starten und Zeitdruck zu haben, aber auch das Projekt zu Ende zu bringen.
Der Entwicklungsprozess ist etwas, der mir sehr viel Spaß macht. Was für andere vielleicht Stress bedeutet, ist für mich sogar ein Spaßfaktor. Das kommt daher, dass ich gelernt habe – so oberflächlich, wie das klingt – zu mir zu stehen.
Ich mache hauptsächlich Sachen, die ich verstehe und die zu meinen Interessen passen. Ich finde, das ist auch wichtig. Es fällt mir sehr schwer ein externes Ziel zu erreichen, wenn ich dieses Ziel nicht verstanden habe und wenn das nicht so meine Interessen sind. Wenn das mit meinen Interessen kollidiert, ist das nicht immer leicht, aber das finde ich wichtig.
Und deshalb mein erster Tipp, um mit Stress umzugehen, ist, im Jetzt zu sein. Ich glaube, das war eine Übung, die ich seit zwei Jahren gemacht habe und mich sehr weit gebracht hat gerade in der Führungsebene.
Einem ist bewusst, was man in welchem Zeitraum zu erreichen hat. Einem sind die Zahlen bewusst, die Timeline und so weiter und so fort. Nichtsdestotrotz habe ich gelernt in dem Jetzt zu leben und das hat mir extrem viel geholfen mit meinem Stress umzugehen.
Geropp:
Wie hast du das gemacht?
Barros:
Wenn die anderen schneller werden, werde ich langsamer. Und wenn ich merke, dass ich immer weniger Spaß habe, was total normal ist, dann fange ich an mich zu fragen, wo bin ich gerade? Was sind meine jetzigen Ziele? Und das hilft mir zu verstehen, wo ich mich befinde, zu verstehen, was gerade der Stressfaktor ist und ab dem Moment, ab dem ich verstanden habe, kann ich das auch zeitlich begrenzen.
Es ist in jedem Prozess so, da gibt es Höhen und Tiefen. Ich kenne nichts, das nur glatt läuft. In jedem Projekt, das ich anfange, das weiß ich, wird es Hürden geben und wenn ich mich dort befinde, bin ich froh, weil ich weiß der nächste Step positiver wird.
Der nächste Schritt von dem wird ein bisschen erfolgreicher werden, weil ich dann etwas daraus gelernt habe oder das hinter mich gebracht habe. Und deshalb, wie gesagt, wenn die anderen schneller werden, werde ich langsamer.
Das hat auch was damit zu tun, dass ich lernen musste zu delegieren. Es ist wichtig eine Vorbildfunktion zu haben, zu spielen. Genauso wichtig ist es, auch zu wissen, was ich kann, aber noch wichtiger, was ich nicht kann. Und ab dem Moment, ab dem ich das akzeptiere, was ich nicht kann und das andere deutlich besser das machen können, kann ich auch viel leichter zulassen und den Prozess besser beobachten.
Und wenn mir das schwer fällt, versuche ich mich zurück zu versetzen in das Jetzt. Es gibt viele Risiken. Es gibt viele Chancen.
Es ist auch normal, finde ich, und das hat für mich in der Vergangenheit auch für Stress gesorgt, dass man sich vergleicht, nicht nur als Mensch, aber als Führungsposition. Man vergleicht Unternehmen. Man vergleicht Kundschaft. Und. Und. Und. Und ich habe in stressigen Situationen gelernt, mich mit der Domitila von gestern zu vergleichen, mit der Domitila von vor einem Jahr zu vergleichen und nicht mit anderen, weil ich dadurch sehr zufrieden mit mir gewesen und geworden bin, weil ich tatsächlich die Erfahrung gemacht habe, dass seitdem ich mich in das Jetzt hinein versetze und seitdem ich mich nur mit mir selbst vergleiche, dass ich viel zufriedener leben und arbeiten kann. Dadurch habe ich auch die Erfahrung gemacht, je zufriedener ich bin, desto mehr strahlt das auch aus.
Geropp:
Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Abschließend Domitila, was ist dein wichtigster Tipp, um erfolgreich und erfüllt zu sein?
Barros:
Ich finde die Frage ist die schönste Frage. Es ist eine Frage, die ich mir selbst stelle, wenn ich versuche mich in das Jetzt hinein zu versetzen. Für mich ist die Antwort, es ist unmöglich die Wahrheit zu finden oder sie sich zu verschaffen.
Aber ich denke, wenn das, was ich tue, echt ist, wahr ist. Ich tue das nicht für die Zeit. Ich tue das nicht für die Belohnung. Ich tue das nicht für das Entgelt. Ich tue das nicht für den Status. Ich tue das nicht dafür, damit meine Mutter nicht mehr besorgt ist, ob aus mir was wird oder nicht. Oder. Oder. Oder.
Wenn ich das schaffe, dann bin ich am glücklichsten und am nächsten an dem Erfolg. Weil, obwohl ich sehr jung bin, habe ich eine Erfahrung gemacht, die mir mein Vater auch immer gesagt hat:
„Man muss nicht alle Fehler machen, um daraus zu lernen. Man soll aus den Fehlern von den anderen lernen, weil man im Leben nicht die Zeit haben wird, alle Fehler selbst zu machen.“
Ich bin der Überzeugung, den Erfolg zu erzielen oder zu erreichen, ist nicht schwer. Schwierig ist es, mit sich selbst, mit dem Gefühl zu leben, ich befinde mich in einer erfolgreichen Situation. Ich bin zufrieden mit dem, was ich bin oder geleistet habe. Ich glaube, das Kontinuum zu ertragen, ist schwerer, als den Erfolg zu erzielen.
Geropp:
Das ist ein sehr schöner Abschluss.
Domitila, ich bedanke mich recht herzlich für das Interview.
Barros:
Ich bedanke mich auch ganz herzlich.
Das inspirierende Zitat
„Menschen haben eine Ur-Sehnsucht nach Vertrauen, Wertschätzung, Respekt und Menschlichkeit. Das gilt für Beziehungen, aber auch für Führungs-Beziehungen.
Wieso können wir uns 12-stellige Handynummern merken, aber nicht diese 4 wesentlichen Werte, die eine Führungskraft auszeichnen sollten?“
Roland Buß
Weiterführende Links und Infos
- Detlef Massorz interviewt Domitila Barros im Podcast Go4QualityTime
- Domitila Barros auf LinkedIn
- Domitilas E-Mail: contact(at)domitila-barros.de
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