FPG165 – Führungsspanne: Wie viele Mitarbeiter können Sie führen?
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In einem Führungs-Workshop fragte mich kürzlich ein Teilnehmer, wie viele Mitarbeiter man denn direkt führen könne. Diese Frage kommt immer mal wieder hoch.
Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Fangen wir erst mal damit an: Was ist denn eine Führungsspanne genau?
Bei Wikipedia finden wir:
„… unter einer Leitungsspanne oder Führungsspanne versteht man die Anzahl der einer Leitungsstelle unmittelbar unterstellten Mitarbeiter…“
Die optimale Führungsspanne
Wissenschaftlich belegen kann man die richtige Anzahl nicht, obwohl es durchaus Ansätze hierzu gibt.
In der Literatur finden sich Untersuchungen und Berechnungen aus der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie. Besonders in den 80er und 90 er Jahren ist da einiges hierzu veröffentlicht worden.
Die meisten dieser Überlegungen greifen aber zu kurz. Sie helfen meiner Ansicht nach nicht weiter, weil sie meist von einem eher mechanistischen Organisationsdenken ausgehen und vorausplanbare, sich wiederholende Arbeitsprozesse voraussetzen.
Der Mitarbeiter wird nicht als Mensch sondern als austauschbares und vergleichbares Teil im System behandelt. Sorry, aber es geht um Menschen nicht um Maschinen. Führung ist komplex.
Meine Erfahrungen
In meiner Zeit als Führungskraft habe ich immer wieder erfahren, dass langfristig die direkte, unmittelbare Führung von 10 oder mehr Mitarbeitern nicht oder nicht gut funktionierte.
Auch habe ich Führungskräfte in unterschiedlichen Unternehmensgrößen, Branchen und Industrien beobachtet. Auch dort wurde mir das immer wieder vor Augen geführt: eine Führungskraft, die 10 oder mehr Mitarbeiter direkt führt, war überfordert.
Alle guten Chefs, herausragenden Führungspersönlichkeiten und Leistungsträger, die ich kennen lernen durfte, haben immer darauf geachtet, dass Sie langfristig nur eine einstellige Anzahl von Mitarbeitern direkt führten – und meist war diese Zahl nicht die 9 sondern sie lag eher zwischen 5 und 7.
Ich habe aber auch immer wieder Unternehmer und Vorstände erlebt, die glaubten, sie könnten 12, 13 oder sogar noch mehr Mitarbeiter direkt führen. Langfristig hat das nie richtig funktioniert.
Meist waren diese Manager überlastet, sie waren sowieso stark im Tagesgeschäft involviert und dadurch sehr fremdbestimmt. Sie hatten deshalb viel zu wenig Zeit für die ihnen direkt unterstellten Mitarbeiter und keinen Freiraum, um sich mit Strategie und Innovation zu beschäftigen.
Wirksam geführt haben die gar nicht. Die haben nur gemanagt. Sie hatten offiziell 12, 13 oder mehr Mitarbeiter, die laut Organigramm an sie berichteten. Ihrer Rolle als verantwortungsvolle Führungskraft konnten sie aber aus Zeitgründen gar nicht gerecht werden.
Die magische Zahl 7
Wie gesagt, wissenschaftlich fundierte Zahlen, auf die man bauen könnte, die ein Optimum darstellen, scheint es nicht zu geben. Es kommt auf die Umstände drauf an.
Aufgrund der positiven Erfahrungen, die ich mit einer Führungsspanne von 7 plus minus 2 gemacht habe, fasziniert mich in diesem Zusammenhang die magische Zahl 7.
Nach einiger Recherche bin ich auf einen Artikel aus dem Jahr 1996 gestoßen. Darin geht es um Psychologische Gesetzmäßigkeiten der Gruppenarbeit. Prof. Dr. Wolfgang Grunwald schreibt dort:
„… Experimente zur Informationsverarbeitung des Menschen haben wiederholt gezeigt, dass das Kurzzeit-Gedächtnis nur ca. sieben plus/ minus zwei kognitive Einheiten gleichzeitig aufzunehmen, zu speichern und zu erinnern vermag…“
„… Ethnobiologische Studien bei Naturvölkern konnten die Gesetzmäßigkeiten der „Magischen Sieben“ bei Gruppenbildungen und sozialer Integration bestätigen…“
Interaktionshäufigkeit
Zur optimalen Gruppengröße und dem Organisations-Aufwand führt Prof. Grunwald aus, dass wenn alle Gruppenmitglieder miteinander kommunizieren, sich die Interaktionshäufigkeit gemäß der Formel n(n-1)/2 berechnen lässt.
Wenn also alle Mitglieder des Teams miteinander kommunizieren haben wir bei 7 Mitarbeitern bereits 21 mögliche Interaktionen, bei 9 Personen sind es schon 36, bei 12 sind es 66 und bei 15 Personen 105 Interaktionen. Die Interaktionen potenzieren sich.
Optimale Gruppengrößen
Wenn sich Menschen zu Gruppen zusammenschließen, dann sind es meist Gruppen zwischen 5 und 7 Teilnehmern. Größere Teams haben die Tendenz mit zunehmender Anzahl der Teammitglieder ineffizient zu werden.
Die Kommunikation wird schwierig, weil aufwendig – weil sich die Interaktionshäufigkeit untereinander potenziert. Deshalb zerfallen solche größeren Teams meist in kleinere Gruppen.
Prof. Grunwald schreibt über das Thema Gruppen:
„…Etwa 90 % aller Gruppen, denen Menschen angehören, umfassen nur fünf und weniger Personen. In Diskussions-Gruppen empfinden die Mitglieder genau fünf Teilnehmer als ideal.
Darunter und darüber liegende Zahlen werden als zu klein bzw. zu groß wahrgenommen. Der Grund ist auch hier die „Magische Sieben“, welche (gerade noch) überschaubare face-to-face-Beziehungen ermöglicht…“
Ich finde diese Überlegungen und Untersuchungen spannend. Sie sind aber kein wirklicher Beweis dafür, dass eine Führungsspanne von 7 plus minus 2 immer korrekt wäre.
Wovon hängt die Führungsspanne ab?
In anderen Berichten finden sich Aussagen, dass die Führungsspanne abhängt von:
- der Komplexität und Verschiedenartigkeit der Aufgaben
- der Qualifikation der Führungskraft
- der Qualifikation der Mitarbeiter
- der Belastung durch andere Aufgaben
- der Koordination der unterstellten Beschäftigen
- der Entlastung durch Stabsstellen
- …
In wikipedia finde ich die Aussage:
„…eine Leitungsspanne sollte generell nur so groß sein, dass es einem Vorgesetzten immer möglich bleibt, gut innerhalb dieser Spanne zu kontrollieren und zu koordinieren…“
Diese Aussage finde ich greift zu kurz.
Es geht nicht nur um Kontrolle und Koordination…
Es geht nicht nur um Kontrolle und Koordination. In der Führung geht es um mehr. Es geht um den Austausch mit den Mitarbeitern, um Feedback es geht um Inspiration und um Weiterentwicklung. All das kostet die Führungskraft Zeit und Energie, aber es wird anscheinend bei dieser Betrachtung als nicht notwendig erachtet.
Wenn ich natürlich voraussetze, dass es nur um Kontrolle und Koordination geht, und dann von einfachen Tätigkeiten ausgehe, ja dann kann ich mir vorstellen, dass Führungsspannen von 12, 13 oder 15 Mitarbeitern als durchaus optimal angesehen werden können.
Einfache Arbeiten werden automatisiert
In den meisten Unternehmen, die ich kenne, werden aber die einfachen Aufgaben zunehmend automatisiert. Mitarbeiter egal welcher Branche werden zumindest im deutschsprachigen Raum mit zunehmend komplexen Aufgaben betreut. Aber hierzu brauchen wir motivierte, eigenverantwortliche und selbstständige Mitarbeiter.
Und dann geht es bei der Führung dieser Mitarbeiter nicht mehr nur um Kontrolle und Koordination. Dann ist es ganz entscheidend, sich regelmäßig mit dem Mitarbeiter auszutauschen z.B. in One-on-Ones, Es wird viel kommuniziert, es geht darum, die Mitarbeiter zu unterstützen und bei Bedarf zu helfen, sich weiter zu entwickeln.
Einstellige Führungsspanne
Ich bin der Meinung, dass die Führungsspanne einstellig sein sollte. Die Zahl 7 plus minus 2 scheint mir da durchaus gut zu passen, selbst wenn ich es nicht wissenschaftlich beweisen kann.
Wenn man 7 Mitarbeiter führt, dann muss man sich meist mit 7 unterschiedlichen Themengebieten und 7 Persönlichkeiten beschäftigen.
Allein das kann manchmal schon ein Vollzeit Job sein. Bei 15 Mitarbeitern wird das meist unmöglich sein. Das kann vielleicht mal eine Zeit gut gehen. Sobald aber Probleme in mehr als einem Bereich auftreten, dann ist die Führungskraft zeitlich und energetisch schnell überfordert, selbst wenn sie glaubt eine ach so gute und effiziente Führungskraft zu sein.
Zeitdruck
Als Führungskraft hat man ja auch noch andere Tätigkeiten. Man soll networken, Strategien entwickeln und sich mit der persönlichen Weiterentwicklung beschäftigen. Bei Führungskräften auf der unteren Hierarchiestufe, z.B. Gruppenleiter. kommen sogar noch neben dem Managen und Führen Sachaufgaben hinzu. All diesen Tätigkeiten gerecht zu werden, fällt schon im normalen operativen Tagesgeschäft schwer genug.
Wenn jemand dann noch zu viele Mitarbeiter direkt führt (also mehr als 10), dann ist derjenige schnell überfordert. Das erste, was dem Zeitdruck dann zum Opfer fällt, ist meist die Führungsaufgabe.
Nicht nur managen, sondern führen!
Ich erlebe das häufig, wenn eine Führungskraft sowieso schon stark operativ tätig ist. Damit managt diese Führungskraft dann meist nur noch Tagesgeschäft. Aber wirklich Führen tut sie nicht.
Interessanterweise sind es immer diese Führungskräfte, die dann glauben, sie könnten auch noch mehr als 10 Mitarbeiter führen. Manche glauben, sie können das, weil sie so effizient sind. Quatsch. Sie können es nicht.
Ich sagte es vorhin schon: All die Manager, die ich kennengelernt habe, die längere Zeit mehr als 10 Mitarbeiter direkt geführt haben, waren meist stolz darauf, haben aber richtig schlecht geführt. Sie taten sich schwer mit dem Delegieren und haben meist wie verrückt Überstunden gekloppt.
Häufig erkennt man da als Außenstehender sehr schnell, dass diese Führungskraft massive Probleme mit dem Thema Führung hat. Nur sie selbst sieht es anscheinend nicht.
Ein wichtiger Punkt, der auch immer wieder unterschätzt wird bei diesen Betrachtungen ist:
Der Zeitaufwand für Führung variiert!
Es gibt Zeiten, da muss man mal mehr und mal weniger Zeit für die Mitarbeiterführung aufwenden. Hat man einen kritischen Mitarbeiter zu führen, dann kann das schon mal mehrere Wochen oder sogar Monate sehr zeit- und energieaufwendig sein. Hat man davon zwei wird es wirklich eng.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich um zwei oder sogar mehr schwierige Mitarbeiter kümmern muss und dort viel Zeit und Energie investieren muss, steigt natürlich an, wenn ich mehr als die magische Zahl sieben an Mitarbeitern führe.
Mein Rat:
Glauben Sie nicht daran, dass Sie erfolgreich eine zweistellige Anzahl an Mitarbeitern unmittelbar führen können. Mit großer Wahrscheinlichkeit können Sie es nicht!
Das inspirierende Zitat
„Du musst jeden Tag entscheiden, wer den Preis für Deine Führung zahlt: Du oder Deine Leute.“
Kevin Leman
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