FPG102 – Ideenmanagement: Die Krux mit der Kreativität in Unternehmen!
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Vor Kurzem habe ich es wieder gelesen:
„In den Köpfen der Mitarbeiter schlummern Milliarden!“
Gemeint sind die Ideen und die Kreativität der Mitarbeiter: Ideenmanagement! Daran wollen verständlicherweise die Unternehmen partizipieren. Sie wollen, dass Ihre Mitarbeiter mitdenken, eigene Ideen entwickeln, damit das Unternehmen innovativer wird.
Das ist verständlich und legitim, ja sogar notwendig. Denn ist man nicht innovativ gehört man heute als Unternehmen schnell zum alten Eisen.
Kreativität der Mitarbeiter
Bereits vor Jahrzehnten versuchte man die Ideen der Mitarbeiter abzugreifen. Dafür gab es den Begriff des „Betrieblichen Vorschlagswesens“. Der klingt etwas angestaubt. Heute nennt sich das Ideenmanagement bzw. Innovationsmanagement.
Wikipedia sagt:
„Innovationsmanagement ist die systematische Planung, Steuerung und Kontrolle von Innovationen in Organisationen.“
Jawoll. Kreativität und Innovation muss man im Detail planen, steuern und kontrollieren: Sonst wird das ja nichts. Äh? Wirklich?
Interessant finde ich dann auch so Äußerungen in Zeitschriften wie:
„…Die Kleinen – gemeint sind kleine und mittlere Unternehmen – tun sich schwer damit, solche (Innovations)-Prozesse einzuführen und zu systematisieren…“
Man geht also davon aus, dass, weil es in großen Unternehmen solche Prozesse gibt, müssten die auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen eingeführt werden.
Eigenartig. Wer führt nochmal herausragende Veränderungen ein und bringt wirkliche Innovationen auf den Markt? Sind das die großen etablierten Konzerne oder sind es doch die Kleinen High Tech Unternehmen?
Ideenmanagement
Mein Eindruck ist, dass manche glauben, kleinen und mittelständischen Unternehmen unbedingt ein solches Ideenamangement, Kreativitätsmanagement oder Innovationsmanagement andrehen zu müssen. Ein Innovationsmanagement, wie es die großen Firmen ja ach so erfolgreich einsetzen.
Da hört man beispielsweise über BASF
„Durch das Ideenmanagement steigern wir unsere Wettbewerbsfähigkeit und optimieren Abläufe…“
Insgesamt seien im vergangenen Jahr bei BASF (Bezugsjahr ist 2013) von rund 12.000 Mitarbeitern gut 19.000 Ideen eingereicht worden. Die Umsetzung von vielen dieser Ideen brachte 33,2 Millionen EUR. Gut 10 % davon zahlt BASF als Prämie an die Mitarbeiter aus, deren Ideen realisiert wurden.
Und in der süddeutschen Zeitung vom 13.08.2014 wird vom Daimler Konzern berichtet. Bei Daimler sparte man im vergangenen Jahr eigenen Angaben zufolge fast 75 Millionen EUR ein dank der Mitarbeiterideen.
Das klingt doch erst mal nicht schlecht. Warum sollten denn da kleine und mittelständische Unternehmen nicht auch ein solches Ideen- und Innovationsmanagement einführen?
Wie sieht die Realität aus?
Aber schauen wir uns doch mal an wie so etwas in der Realität aussehen kann. Wenn ein systematisches Ideenmanagement in einem großen Unternehmen eingeführt wird, dann sind die Mitarbeiter angehalten dort zentral ihre Ideen einzureichen.
Eine eigens dafür gebildete Zentralabteilung, das Ideenmanagement, sammelt und bewertet die Ideen. Für jede anerkannte Idee erhält der jeweilige Mitarbeiter dann eine Bonuszahlung. Diese Bonuszahlung wird anhand eines ausgetüftelten Entlohnungssystems berechnet.
Ziel dabei ist es, die Mitarbeiter zu motivieren, kreativer zu sein, Ideen zu haben und diese Ideen im Unternehmen einzubringen. Die Mitarbeiter tun das nämlich sonst nicht. Das ist zumindest die Einschätzung und die Erfahrung der oberen Manager.
Kurzfristiger Erfolg
Und kurzfristig scheint dieses Konzept auch häufig erfolgreich zu sein. Typisch ist, dass zu Beginn – also wenn ein solches Ideenmanagement eingeführt wird – tatsächlich die Anzahl der eingereichten Ideen stetig zunimmt. Ein gutes Zeichen! Der Vorstand freut sich. Es scheint, dass die Mitarbeiter mitziehen und das Unternehmen immer kreativer und innovativer würde. Super.
Nach einiger Zeit beschäftigt die Abteilung für Ideenmanagement bereits mehrere Vollzeitmitarbeiter. Sie sind voll ausgelastet mit der Sammlung der Mitarbeiterideen, mit der internen Vermarktung und deren Einschätzung hinsichtlich der Umsetzung. Und natürlich mit der Bewertung und dem ausgetüftelten Entlohnungssystem.
In Pressemitteilungen und gegenüber dem Aufsichtsrat vermeldet das Top Management, wie super das läuft und wie viele Millionen EUR das Ideenmanagement bereits einspielt – und dabei sei die zusätzliche Entlohnung der Mitarbeiter und die Kosten für die Zentralabteilung bereits eingerechnet.
„Ideensammlungs-Bürokratie“
Tja. Leider funktionieren solche Bonussysteme meist nur kurzfristig. Das ist ähnlich wie bei anderen Methoden zur extrinsischen Motivation. Mittel- und langfristig werden diese Bürokratie-Systeme meist korrumpiert.
Häufig entsteht eine „Ideensammlungsbürokratie“. Mit der Zeit wird jede Selbstverständlichkeit als Idee ausgegeben, um möglichst einen Bonus zu bekommen. Schade nur, dass die Mitarbeiter diese Pseudo-Ideen im normalen Tagesablauf ohnehin hätten und diese auch ohne das Ideenmanagement sowieso umsetzen würden.
Nicht zu viele Ideen ablehnen…
Schaut man genauer hin, ergeben sich eine Vielzahl von Problemen: Das Ideenmanagement darf z.B. nicht zu viele Ideen ablehnen, selbst wenn diese Ideen banal sind.
Tut es das doch, erreicht es nicht die vom Vorstand vorgegebenen Ziele. Die Anzahl der eingereichten und bewerteten Ideen nehmen ja dann plötzlich nicht mehr zu, sondern stagnieren oder nehmen sogar ab.
Das ist schlecht und das gefällt der Geschäftsführung aber gar nicht. Das ganze Ideenmanagement wird plötzlich teurer als gedacht und dabei hat man doch weitere neue Mitarbeiter für die Abteilung Ideenmanagement genehmigt. Damit rechnet sich das Ideenmanagement unter Umständen gar nicht mehr so wie gedacht – und wie den Shareholdern und dem Aufsichtsrat versprochen.
Das Top Management hilft
Das Top Management ist besorgt, vielleicht sogar verärgert. Können oder wollen die Mitarbeiter nicht, neue Ideen produzieren? Also entschließt sich das Top Management zu helfen.
Dazu erweitert es die Ziele und Regeln. Es bricht die großen Ziele des zentralen Ideenmanagements auf jede Unternehmensabteilung runter. Die Führungskräfte werden also dazu verdonnert, dass aus jeder Abteilung gefälligst eine vorgegebene Anzahl von Ideen kommen muss. Dieses Ziel wird den Führungskräften in die Zielvereinbarung reingeschrieben und dann flupt das schon. Kreativität per Ordere Mufti..
So, denkt es sich der Vorstand. Damit haben jetzt auch die unteren und mittleren Führungskräfte genug Motivation, ihre Mitarbeiter zu unterstützen, Ideen zu liefern. Die sollen schließlich Ideen abliefern und endlich kreativ sein.
Das Resultat
Leider funktioniert das aber auch nicht. Denn jetzt regt zwar jeder Abteilungsleiter seine Mitarbeiter dazu an, Ideen einzureichen. Also wird jede Idee gesammelt und in den bürokratischen Apparat, genannt Ideenmanagement eingesetzt. Schließlich will die Führungskraft ja ihre Zielvereinbarung erreichen. Daran hängt ja sie Ausbezahlung ihres variablen Gehaltsanteils.
Egal welche Ideen: Ideen, die banal scheinen oder Pseudo Ideen, oder Ideen, die der Mitarbeiter oder die Führungskraft sowieso umsetzen würden. Alles wird dem Ideenmanagement gemeldet.
Das Problem des Ideenmanagement-Teams
Das Ideenmanagement wertet diese hereinkommenden Ideen natürlich aus. Sie merken schon, dass da manche Pseudo Idee dabei ist. Aber sie werten wohlwollend.
Warum? Nun, die eigene Zielerreichung des Ideenmanagementteams ist ja an die hohe Anzahl von Ideen gekoppelt – ansonsten rechnet sich das ganze Ideenmanagement nicht und die eigene Abteilung und der eigene Job steht vor dem Aus.
Und so nimmt die Ideenmanagement-Bürokratie weiter Fahrt auf. Auf das man auch im nächsten Jahr den Shareholdern, dem Aufsichtsrat und der Presse tolle zweistellige Millionenbeträge nennen kann, die das ideenmanagement einspielt, die aber sowieso nicht wirklich nachprüfbar sind
Jeder Handstreich will bezahlt werden
Nein, so geht es nicht. Bonussysteme bergen immer die Gefahr, dass Mitarbeiter sich nur noch nach Geld richten und sich jeden ihrer Handstreiche zusätzlich entlohnen lassen. Das kann man ihnen nicht verdenken. Schuld sind diejenigen, die ein solches System einführen. Das Kreativitätspotential der Mitarbeiter lässt sich so langfristig nicht heben.
Den Vorgesetzten übergehen
Ein solches Ideenmanagementsystem zeigt aber auch noch ganz andere Auswirkungen. Ich zitiere aus dem Artikel der Süddeutschen Zeitung:
„…Es hat auch Vorteile, wenn es eine neutrale Stelle wie den Ideenmanager gibt, weil Ideen sonst oft an mittleren Vorgesetzten scheitern.“
Der Vorgesetzte könne den Mitarbeiter mit seiner Spitzenidee schließlich auch als Konkurrenten ansehen und so Ideen von vornherein verhindern.
Der Rat eines Experten aus dem Ideenmanagement lautet deshalb:
„Wenn es sich einrichten lässt, würde ich als Mitarbeiter versuchen, meinen unmittelbaren Vorgesetzten zu umgehen und meine Idee direkt bei der zuständigen Stelle abgeben.“
Bin ich hier der Einzige, der eine solche Vorgehensweise als vollkommen kontraproduktiv für ein Unternehmen ansieht? Es mag ja vorkommen, dass es schwarze Schafe unter den Vorgesetzten gibt, die den Mitarbeiter so ausboten, aber das sollte in einer Firma doch die Ausnahme sein.
Und ist es nicht die Ausnahme, dann hat das Unternehmen doch ein ganz anderes Problem: Nämlich ein Vertrauens- und Führungsproblem. Dann gilt es doch das erst mal zu lösen und nicht ein System oder Vorgehen zu etablieren, das Misstrauen und Argwohn unterstützt und Kooperation und Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten torpediert.
Ideenmanagement bei KMU’s? Nein Danke!
Also, liebe mittelständische Unternehmer: Seid froh, wenn Ihr nicht solche Systeme in Eurem Unternehmen habt. Lasst Euch nicht einreden, dass Ihr das bräuchtet.
Entscheidend ist ein Umfeld, das Ideen fördert. Eine angstfreie Führungskultur ist entscheidend für Kreativität in Unternehmen. Daran hapert es häufig. Laut Professorin Teresa Amabile von der Harvard Universität wird Kreativität viel häufiger getötet als gefördert. Um kurzfristige geschäftliche Ziele zu erreichen, werden Organisationen entwickelt, die systematisch Kreativität zerstören.
Besonders kritisch ist es, wenn Unternehmen einen Großteil Ihrer Energie zur übertriebenen Risikominimierung verwenden. Dieses Sicherheitsdenken zieht sich nach und nach durch das gesamte Unternehmen.
Da wundert es nicht, dass wirklich bahnbrechende Ideen nicht in Konzernen entstehen, sondern in den Köpfen von Querdenkern. Die überleben selten in großen Unternehmen sondern finden sich als Unternehmer oder als Mitarbeiter in agilen kleinen und mittleren Firmen.
Kreativität braucht Freiraum
Laut dem Autor der Studie „Corporate Creativity“ Jens-Uwe Meyer liegt ein Denkfehler im Prozess- und Strukturdenken vieler Manager:
„Prozesse sind gut und wichtig, wenn es darum geht, das operative Geschäft voran zu treiben. Mit den gleichen Methoden jedoch lassen sich keine neuen Ideen entwickeln.“
Google erlaubt seinen Mitarbeitern 20 Prozent ihrer Arbeitszeit zur freien Forschung zu verwenden. Auch 3M ermöglicht seinen Mitarbeitern sich sechs Stunden ihrer Arbeitszeit pro Woche mit eigenen Projekten und Ideen auseinander zu setzen.
Die Innovationsfreudigkeit dieser Unternehmen zeigt das dieses Vorgehen auch langfristig Erfolg versprechend ist. Allerdings bedarf es einer Führungskultur des Vertrauens in die eigenen Mitarbeiter.
Fast jeder Mitarbeiter eines Unternehmens macht sich gelegentlich Gedanken, was in seinem Umfeld verbessert werden müsste. Gerade diese kleinen Verbesserungen sind es häufig, die einen großen Unterschied machen. Wenn das Unternehmen sie nur umsetzen würde, könnten diese Veränderungen später vielleicht der entscheidende Wettbewerbsvorteil sein.
Aber: Kreativität gibt es nicht auf Anweisung. In manchen Unternehmen werden die Ideen der Mitarbeiter im Tagesgeschäft nicht gewürdigt. Dann brauchen Sie auch nicht sporadisch Sitzungen anordnen, in denen zum „Brainstorming“ aufgerufen wird.
Gerade in kleineren Unternehmen herrscht manchmal die Einstellung, dass gute Ideen ausschließlich vom Chef kommen. Das ist verständlicherweise nicht sehr motivierend für die Mitarbeiter. Es führt zu einer Einstellung der inneren Kündigung. In einer solchen Umgebung kann sich Kreativität nicht entfalten.
Diese Situationen erinnern mich an einen Satz von Antoine de Saint Exupery:
„In jedem Menschen steckt etwas von einem ermordeten Mozart.“
Die Führungskultur ist entscheidend.
Die meisten Menschen sind aus sich heraus motiviert und kreativ, wenn sie in einem Umfeld arbeiten, wo Kreativität erwünscht und unterstützt wird. Mit Unterstützung sind dabei keineswegs Belohnungen wie Boni gemeint.
Entscheidend ist vielmehr, dass eine Führungskultur des Vertrauens herrscht.
Um kreativ sein zu können, braucht es neben Intelligenz, Vorstellungsvermögen und Neugier, vor allem Mut und Flexibilität. Kreativität braucht Mut, weil eine neue Idee zu verfolgen, auch zu Fehlern und Misserfolg führen kann.
Sie brauchen kein bürokratisches Ideenmanagement! Wenn Sie kreative Mitarbeiter wollen, müssen Sie eine Kultur etablieren, die Fehler und Misserfolg toleriert. Menschen sind gerne kreativ, wenn sie es sein dürfen und wenn sie nicht dafür bestraft werden. Angst führt nicht zu Geistesblitzen!
Kreativität ist wie eine Pflanze. Damit sie wachsen kann, muss man ihr Platz und Freiheiten einräumen. Ideen brauchen Zeit.
Um kreativ sein zu können, müssen Sie Ihren Mitarbeitern erlauben hin und wieder auch Ablenkung zu suchen und aus der täglichen Routine auszubrechen.
Steve Johnson beschreibt es in einem anschaulichen YouTube Video “Where good ideas come from” folgendermassen:
„Die meisten guten Ideen liegen in der Verknüpfung einzelner Gedanken über einen längeren Zeitraum. Ideen müssen diskutiert werden. Große Ideen ergeben sich erst im Zusammenspiel vieler kleiner Inspirationen. Der geniale Moment als Geburt einer herausragenden Idee ist also eher die Ausnahme.“
Das inspirierende Zitat
„Technokraten und Administratoren hieven die Kreativität auf die Trockenwerft. Dort wird sie nicht etwa ausgebessert, sondern abgetakelt.“
Emil Baschninga
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