FPG 152 – B2B Vertrieb: Worauf kommt es heutzutage an? – Interview mit Martin Sänger
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Ich freue mich sehr, heute den Experten für B2B-Vertrieb Martin Sänger bei mir zu Gast zu haben.
Martin hat bereits mit 16 Jahren sein erstes Gewerbe angemeldet und ist seitdem als Unternehmer unterwegs und lebt und atmet B2B Vertrieb. Ganz klar seine Leidenschaft.
Martin Sänger
Vor mehr als 15 Jahren gründete er die Sänger Trainerteam GmbH und zeigt seinen Kunden worauf es im Vertrieb wirklich ankommt.
Auch als Redner ist er sehr erfolgreich unterwegs. Er begeistert sein Publikum mit seiner sympathisch dreisten Art, Dinge auf den Punkt zu bringen.
Leben duldet keinen Aufschub
Durch seinen hörenswerten Podcast „Leben duldet keinen Aufschub“ bin ich Anfang des Jahres auf ihn aufmerksam geworden.
In seinem Podcast geht es zwar auch mal um das Thema Vertrieb aber der Fokus liegt auf Anregungen, Tipps und Impulsen für alle Menschen, die einfach zufrieden und trotzdem erfolgreich leben wollen.
Was hat sich im B2B Vertrieb verändert?
Mit Martin spreche ich heute darüber, wie sich B2B Vertrieb in den letzten Jahren verändert hat, was das für Auswirkungen auf die Führung von Vertriebsmannschaften hat, was er von variablen Gehältern hält und warum er einen Podcast gestartet hat, der einen ganz anderen Fokus hat als sein Kerngeschäft Vertrieb.
Das transkribierte Interview mit Martin Sänger
Geropp:
Martin, viele bisher erfolgreiche Geschäftsmodelle, die verändern sich ja momentan. Oder werden teilweise ganz obsolet. In unserer Zeit ist es so, dass viele alte Branchen sterben, gleichzeitig haben wir aber teilweise in Atem beraubenden Geschwindigkeiten, dass ganz neue Geschäftsmodelle entstehen.
Du bist Vertriebsexperte. Wie erlebst du das? Was für Auswirkungen hat das auf das Verkaufen und was hat sich so, sagen wir mal, in den letzten Jahren gerade im Bereich des Verkaufens speziell im B2B Vertrieb geändert oder was wird sich noch ändern? Wie siehst du das?
Sänger:
Ja. Also das hat tatsächlich aus meiner Sicht ganz dramatische Veränderungen in den Märkten gebracht. Früher war es tatsächlich möglich, dass du als Verkäufer zu einem Unternehmen gegangen bist und mit dem gemeinsam dann mal geguckt hast, was kannst du wie präsentieren und mit dem Produkt, was du anzubieten hast, denen weiterhelfen. Heute hat sich das komplett umgedreht.
Die Unternehmen sind super informiert, wissen ganz genau, bei dem, wo sie über eine Anschaffung nachdenken, was gibt es am Markt? Was brauchen sie? Erstellen teilweise sogar bis hin zu den Kosten, die dem Lieferanten vorgegeben werden.
Ich weiß es von einem großen Automobilhersteller. Wenn der etwas anschaffen will, dann kriegt der potenzielle Lieferant sogar eine komplette Aufstellung, was was kosten darf und nur wenn er das so leisten kann, hat er überhaupt die Chance mal ins Gespräch zu kommen. Zum anderen gibt es auch schon Unternehmen, die mit Verkäufern erstmal gar nicht reden, sondern einfach sagen,
„Ja, wir haben online ein Formular, bitte gib da alles ein und dann melden wir uns schon, wenn es für uns interessant ist.“
Also es wird für Verkäufer immer schwieriger, weil durch diese gesamte Online-Internet-Geschichte natürlich noch eine weitere Hürde aufgestellt wird, dass Verkäufer zu Entscheidern kommen und mit den Entscheidern auch gemeinsame Lösungen entwickeln können.
Und man muss da in Zukunft, ich denke nicht, dass das großartig abnehmen wird dieser Trend, man muss in Zukunft als Verkäufer einfach sehr viel mehr zu bieten haben, als einfach nur irgendwie gut reden zu können.
Geropp:
Das heißt, alle Informationen oder sehr viele Informationen einfacher zu bekommen sind heutzutage, ist die Vergleichbarkeit eher gegeben und dann muss ich eher wirklich als mit dem Kunden an einer Sache arbeiten.
Also das wäre mehr so diese Partnerschaft. Das heißt, dieses typische Verkaufen, ist mehr so ein Hardselling, das wird immer mehr verschwinden, denkst Du?
Sänger:
Ja. Also da bin ich absolut davon überzeugt. Das ist auch in den allermeisten Bereichen schon verschwunden.
Also die typischen Sprüche von früher, „reinhauen, umhauen, abhauen“ und solche Geschichten, das geht heute nicht mehr. Heute komme ich als Verkäufer bei einem potenziellen Kunden nur dann weiter, wenn der in den ersten ein, zwei Minuten, die ich vielleicht die Chance habe mal mit ihm zu reden, wenn der da erkennt, der will mir jetzt nicht nur irgendwas andrehen, sondern dieser Verkäufer hat sich tatsächlich Gedanken über unser Unternehmen, unsere Branche, unser Geschäftsmodell oder was auch immer gemacht. Und das ist heutzutage immens wichtig.
Und da ist es jetzt wieder so, dass das, was uns auf der einen Seite die Schwierigkeit bereitet, nämlich die Informationen, die die Kunden alle zur Verfügung haben, das hilft uns hier jetzt im Verkauf, weil wir natürlich diese Informationen über den Kunden, die wir brauchen, um gezielter den Kunden ansprechen zu können, die kriegen wir natürlich auch heutzutage viel leichter als früher.
Geropp:
Denkst du, dass es gerade in der Investitionsgüter-Industrie denn überhaupt zukünftig noch diese herkömmliche Art der Kaltakquise geben wird? Also diese am Telefon, anrufen und versuchen den Termin zu bekommen. Ich will Drucker verkaufen. Oder ich will/ also so diese C-Produkte verkaufen. Oder wie wird das laufen?
Sänger:
Also da glaube ich, dass das sehr schwierig werden wird. Gerade, wenn du so Dinge ansprichst, die wirklich, ich sage jetzt mal, an jeder Ecke auch zu kriegen sind, also wenn du im absoluten Verdrängungsmarkt bist, dann wird es wahnsinnig schwer mit Kaltakquise.
Denn es versuchen immer noch unglaublich viele Verkäufer dort irgendwie die Einkaufsabteilung, Einkaufsleiter, Entscheider in irgendeiner Art und Weise zu erreichen. Wenn Kaltakquise am Telefon betrieben wird, dann muss man auch heute entsprechend intelligent an die Sache rangehen und vielleicht dem Kunden auch mal eine Information geben, die ihn weiterbringt, ohne dass man gleich Geld als Gegenleistung bekommt. Und man muss einfach sehr viel intelligenter rangehen. Jede Bewegung löst immer auch eine Gegenbewegung aus.
Das heißt, je mehr ein Unternehmen versucht alles online abzublocken, desto stärker wird natürlich derjenige wahrgenommen, der doch noch mit dem Telefon zum Entscheider durchkommt. Von daher würde ich sagen, es stirbt nicht ganz aus, aber so dieses, was man früher hatte,
„…Es geht um Kosteneinsparungen in Ihrem Unternehmen und deswegen müssten wir uns nur zehn Minuten zusammensetzen und dann werden Sie erkennen, wie interessant das für Sie ist.“
Also ich glaube, die Variante, die wird aussterben. Sondern, wenn man wirklich als Verkäufer zu jemandem in einem Unternehmen durchgestellt wird, dann braucht man einen sehr, sehr guten, spannenden und vor allem für dieses Unternehmen und diese Branche passenden Aufhänger, um die Aufmerksamkeit von seinem Gegenüber zu bekommen.
Geropp:
Was macht denn aus deiner Sicht so einen zukünftig wirklich guten Vertriebsmitarbeiter aus? Was zeichnet den aus?
Sänger:
Also sehr viel mehr als bisher geht es um irgendwelche, diese berühmten Softskills, von denen man ja schon immer redet. Also ein guter Vertriebsmitarbeiter wird in Zukunft sehr, sehr viel mehr im Bereich der menschlichen Ebene aktiv sein müssen. Das andere ist Handwerk.
Also auch von der Rhetorik her oder Fragetechniken oder sowas, das setzt man voraus. Damit kann ich aber heutzutage keinen mehr hinterm Ofen vorlocken. Wenn ich aber die Fähigkeit besitze als Vertriebler oder als Mensch einen anderen Menschen, ich sag jetzt mal, zu fesseln, in der Art und Weise, wie ich ihm was rüberbringe und ihm auch zu zeigen, „hier schau mal, ich habe mir Gedanken für dich gemacht, lieber Kunde“, das sind zukünftig einfach so Fähigkeiten, die Vertriebsmitarbeiter unbedingt haben müssen.
Also ich denke auch, dass Vertriebsmitarbeiter zukünftig sehr viel stärker ihr eigenes Netzwerk aufbauen müssen. Und dass auch der Beruf selbst noch ein paar Veränderungen erleben wird. Und wer mit Menschen gut kann, wer die Fähigkeit hat, Menschen in seinen Bann zu ziehen im positivsten Sinne, der wird zukünftig im Vertrieb deutlich bessere Karten haben.
Geropp:
Das heißt, da siehst du schon einen großen Unterschied zu dem, wie es bisher war, wo man vielleicht eher wirklich Sachen abarbeiten konnte und eher nach Schema F vorgeht. Man muss sich viel enger noch mit dem möglichen Kunden beschäftigen, um überhaupt von ihm wahrgenommen zu werden und eine wirklich engere Beziehung aufzubauen. Verstehe ich dich da richtig?
Sänger:
Ja. Absolut. Ich glaube, ein gutes Beispiel ist, dass jeder von uns schon wahrscheinlich nicht nur einmal, sondern mehrfach von irgendwelchen Callcenter-Mitarbeitern angerufen wurde, von egal welchem Unternehmen. Und du hörst ja in der ersten Sekunde, wenn der einen Telefonleitfaden vorliest. Also dieses Standard Null Acht Fünfzehn, damit kommen wir doch heute nicht weiter. Also wenn bei mir jemand so anruft und ich höre es wirklich nach ein paar Sekunden, denke ich mir, ja, jetzt hat er da seinen Leitfaden vor sich und schön immer die Fragen stellen, wo ich ja oder nein sagen soll, als Kunde.
Geropp:
Ja, wobei man muss natürlich ehrlicher Weise sagen, A du bist Vertriebsprofi, du weißt direkt die ganzen Sachen. Das heißt, du schaust dir das so an. Die zweite Sache ist, das wäre ja auch wirklich dann in der Regel B2C. Das ist ja auch, befürchte ich, nach wie vor üblich da Leute über den Tisch zu ziehen, wenn man da am Telefon versucht irgendwelche Verträge dem Kunden aufzuschwatzen.
Sänger:
Ja, es ist nicht nur B2C. Erstens ist es ja inzwischen verboten im B2C-Bereich.
Geropp:
Warum rufen die dann immer noch bei mir an? Aber okay.
Sänger:
Dann frag die mal. Ich kenne durchaus Unternehmen im B2B-Bereich, die ein, die nennen das natürlich nicht Callcenter, aber die haben ein Akquise-Team, das telefonische Terminvereinbarungen für den Außendienst macht. Und die haben auch alle einen Gesprächsleitfaden vor sich. Und da ist es schon so, dass ich beobachte, wenn da jetzt jemand sitzt, der einfach die Fähigkeit hat, entsprechend gut sich auf sein Gegenüber einzustellen und der vielleicht sogar auch weiß, wen er da gerade anruft, dann ist die Erfolgsaussicht tatsächlich höher, als wenn ich einfach nur standardmäßig das runterlese, was ich so vor mir habe. Das soll einfach auch noch mal ein bisschen darstellen, dass, wenn wir versuchen im Verkauf weiterhin einfach ein Standard-Vorgehen zu befolgen, dass das einfach immer schwieriger wird.
Geropp:
Wenn jetzt ein Unternehmer im B2B ist, also gerade in der Investitionsgüter-Industrie und er selbst, häufig ist das so, wenn so ein Unternehmen immer größer wird, irgendwann muss auch der Unternehmer akzeptieren, dass er nicht mehr der beste Vertriebsmann sein darf, sondern er muss auch eigene Vertriebsmitarbeiter haben, die den Vertrieb übernehmen. Worauf sollte so jemand achten, wenn er für den B2B-Bereich Vertriebsmitarbeiter einstellt?
Sänger:
Ja. Da würde ich tatsächlich sagen, neben der fachlichen Qualifikation, die ich selber gar nicht mehr so hoch ansehe, weil Fachwissen kann ich jedem Menschen beibringen beziehungsweise er sich selbst, wenn die Motivation entsprechend auch da ist, in dieser Branche oder diesem Thema zu arbeiten.
Also natürlich muss der wissen, worum es geht, aber ich muss nicht in der Tiefe drinstecken. Was aus meiner Sicht wichtig ist, ist dass ich einen Menschen vor mir habe, der aufgeweckt ist, der vielseitig interessiert ist. Also vielseitige Interessen sind tatsächlich wichtig, weil ich dann als Unternehmer davon ausgehen kann, dass dieser Vertriebsmitarbeiter mit den aller meisten Menschen, die er so treffen wird in seinem Leben, irgendwo auch einen Aufhänger findet, über den er reden kann. Und das ist schon mal das aller wichtigste. Vielseitige Interessen.
Ich selber bin auch so ein kleiner Fan von Umgangsformen. Ich muss zumindest wissen, was sich gehört. Ja, ist tatsächlich so.
Geropp:
Ja. Das glaube ich.
Sänger:
Und die anderen Sachen, dass er sich schon ein stückweit auch gut ausdrücken können muss und solche Themen, das ist schon auch wichtig. Aber so das Zwischenmenschliche, dass ich einen Menschen einstelle, der die Fähigkeit besitzt Sympathie auszulösen bei anderen Menschen. Das ist tatsächlich heutzutage ein großer Faktor.
Geropp:
Jetzt gerade im Investitionsgüter-Bereich sucht man ja nicht unbedingt so diese Vertriebsmitarbeiter, die, ja ich glaube, sie werden als Hunter bezeichnet, also die wirklich Spaß an der Kaltakquise haben und jetzt rein und so weiter. Es ist ja etwas, was gerade, weil, es muss ja auch ein Budget für bestimmte Sachen da sein, es ist ein anderes Geschäft, als wenn ich das in den anderen Bereichen mache.
Was hältst du in diesem Bereich B2B von variablen Gehältern für Vertriebsmitarbeiter. Also wirklich Gehälter, die an persönliche Zielerreichung gekoppelt sind. Wann ist das sinnvoll und wann nicht, aus deiner Sicht?
Sänger:
Ja. Also es ist natürlich so, wir werden im Vertrieb immer die Menschen finden und das ist auch vollkommen legitim, die sagen, ich mache das hier um Geld zu verdienen. Und auch um gutes Geld zu verdienen. Gar keine Frage. Das ist natürlich ein Typ Mensch, den man mit einem variablen Gehalt dann auch ein stückweit einen Anreiz bieten und eine Motivation schaffen kann.
Ich erlebe es allerdings in meiner täglichen Arbeit immer häufiger, dass mich Verkaufsleiter oder auch Unternehmer drauf ansprechen und sagen,
„Mensch, wir haben doch ein super Provisionssystem. Warum bewegen die sich nicht?“
Also da reden die meistens über die Verkäufer, die nicht so gut performen. Und da muss ich dann schon sagen, naja, weil eben Geld doch kein Motivationsfaktor ist.
Es gibt viele Menschen, die sagen, wenn ich das und das erreiche, dann reicht das mir persönlich aus und dann hören die fast, ich möchte nicht sagen, die hören auf zu arbeiten, aber so der Elan, wenn man sein persönliches Ziel erreicht hat, ist oftmals gar nicht so groß, dann noch weiter zu machen.
Natürlich gibt es die Wettbewerbstypen, die immer der Beste sein wollen und die immer noch mehr wollen. Das ist gut. Für die ist das variable Gehalt auch gut, aber es gibt auch viele andere Menschen, die sagen,
„Mensch, ich mache meinen Job und ich mache den auch gut und ich bin da auch zuverlässig.“
und die kann man dann eben über so ein Modell nicht motivieren. Und da muss man also schon darauf achten und das richtet sich jetzt schon auch so ein bisschen an die Führungskräfte, dass ich dann als Führungskraft in der Lage bin, diese Menschen, wenn ich die im Team oder diese Typen, wenn ich die im Team habe, anderweitig zu motivieren.
Dass ich also nicht nur so diese eine Motivationsstrategie habe, nach dem Motto, „hier, du kriegst doch Geld dafür, also mach endlich“, sondern dass ich auch Verantwortung übergebe mal oder dass ich auch mal mit Anerkennung arbeite. Und. Und. Und.
Die ganzen vielen Motivationsfaktoren, die es da gibt. Und das fehlt mir tatsächlich manchmal so ein bisschen bei den Führungskräften im Vertrieb. Die, vielleicht, weil sie selber auch sehr monetär fixiert sind, dann gar nicht verstehen können, dass es Menschen gibt, wo die variable Vergütung kein großer Anreiz ist.
Ich persönlich finde immer eine Mischung ganz gut. Dass man vielleicht einen Zielerreichungs-Bonus hat, aber jetzt nicht, so wie es viele Systeme gibt, dass man sagt, man hat 30 Prozent seines Gehalts als Fixum und 70 Prozent variabel. Da kriegt man dann auch nur so einen ganz bestimmten Schlag Verkäufer da rein.
Geropp:
Martin, du machst ja seit einem Jahr einen, wie ich finde, sehr hörenswerten Podcast, der sich nennt „Leben duldet keinen Aufschub.“ Und in dem Podcast sprichst du darüber, dass viele den beruflichen und materiellen Erfolg viel zu wichtig nehmen.
Du hast ja auch ein einschneidendes Erlebnis gehabt. Du hattest 2014 einen Herzinfarkt, wo du dann auch ein bisschen eine Veränderung bei dir selbst beobachtet hast, hinsichtlich wie du über Erfolg denkst und so weiter.
Du betonst, dass die persönliche und innere Zufriedenheit sehr entscheidend ist. Aber auf der anderen Seite ist natürlich auch beruflicher und materieller Erfolg wichtig.
Gerade als Vertriebsprofi diese beiden Sichtweisen zusammen zu bringen, also Fokus auf materiellen Erfolg auf der einen Seite und Fokus aber auf innere Zufriedenheit auf der anderen Seite unter einen Hut zu bringen, das stelle ich mir, gerade so in deiner Situation nach deinem Herzinfarkt, recht schwierig vor. Vielleicht kannst du da ein bisschen was dazu sagen, wie du das momentan siehst und was das bei dir verändert hat?
Sänger:
Ja gerne. Also es ist natürlich auch schwierig. Da hast du vollkommen recht. Es war tatsächlich durch das Nahtod-Erlebnis, was ich hatte, also mein Herz hat aufgehört zu schlagen, und da ist man in so einem komischen Zwischenzustand. Und in diesem Zwischenzustand habe ich durchaus so, ich sag mal, so Flashbacks gehabt.
Manche nennen das das Leben zieht an einem vorüber oder so. Aber ich habe mich an so bestimmte Momente erinnert und da war tatsächlich kein einziger Moment dabei, der irgendwas mit finanziellem Erfolg zu tun hatte. Da waren überwiegend Momente dabei, die ich erleben durfte mit meiner Frau, mit Freunden, wie auch immer. Also so das, was eher der Seele Futter gegeben hat und weniger dem Bankkonto.
Ich gebe aber auf der anderen Seite auch zu, ich habe Spaß an schönen Dingen und freue mich, wenn ich mir was leisten kann und empfinde das auch als sehr schön, wenn ich mir etwas durch meine eigene Arbeit leisten kann.
Und ich habe dann tatsächlich, als ich in die Reha kam, versucht herauszufinden, wie kriege ich denn hier den Mittelweg richtig hin. Ich habe 19 Jahre lang nur mein Business aufgebaut. Jetzt rückblickend gesehen, tatsächlich wie ein Verrückter. Wochenenden durchgearbeitet. Aber nicht nur eins, sondern sechs, acht Wochen lang am Stück gearbeitet. Urlaube verschoben beziehungsweise meine Frau alleine in den Urlaub fliegen lassen. Und. Und. Und. Also wirklich total bescheuert jetzt im Nachhinein. Ja.
Jetzt muss ich einfach immer aufpassen, dass ich nicht wieder da reinrutsche in diese Thematik und das hatte viel für mich auch damit zu tun, mit mir selber mal ernsthaft ins Gericht zu gehen zum Thema, was braucht man denn wirklich?
Oder was macht mich denn wirklich zufrieden? Macht es mich zufrieden ein 130.000 Euro Auto zu fahren? Oder komme ich nicht auch mit einem spannenden Auto, was deutlich weniger kostet, von A nach B? Und ich habe da sogar eine Variante gefunden, wo ich mit viel Spaß von A nach B komme.
Das ist jetzt nur so ein Beispiel, wo ich sage, „ja, so hätte ich früher nicht gedacht“, und heute gucke ich einfach sehr viel mehr drauf, was brauche ich an Finanziellem in meinem Leben, weil ich habe mir da nie Gedanken drüber gemacht.
Das Geld war ja immer da. Meine Firma lief und läuft auch heute, Gott sei Dank, noch, weil ich eben das so wild aufgebaut habe. Aber ich mache mir jetzt sehr viel mehr Gedanken drüber, was brauche ich wirklich? Wofür gebe ich mein Geld wirklich aus? Und wo gehe ich auch mal hin und sage, „auf den Auftrag verzichte ich jetzt zugunsten eines verlängerten Wochenendes mit meiner Frau.“ Oder sowas.
Also ich stelle sehr viel häufiger die Abwägung oder die Rechnung auf, will ich jetzt, wie wild, noch dem letzten Cent hinterherjagen oder will ich mein Leben so organisieren, dass ich, wenn ich dann wirklich nicht mehr zurückgeholt werde irgendwann, wenn es dann wirklich final vorbei ist, dass ich ganz viele schöne Momente sehen darf, die ich erlebt habe und dann ist mir mein Bankkonto auch wurscht.
Geropp:
Was mich interessieren würde, das war jetzt vor etwa zwei Jahren.
Sänger:
Ja.
Geropp:
Das heißt, du hast dann eine Zeitlang gehabt, wo du sehr intensiv darüber nachgedacht hast. Hast gesagt,
„Nein, Moment, da muss ich mich ein bisschen zurücknehmen. Mir sind bestimmte Sachen jetzt wirklich wichtig.“
Kannst du beobachten, ob das in den zwei Jahren so bleibt oder hast du die Tendenz, so langsam doch wieder reinzuwachsen in dieses Powern.
Sänger:
Ja, ich habe den ersten Knüppel auf den Kopf schon bekommen innerhalb der zwei Jahre. Ich habe tatsächlich, genau wie deine Vermutung war, ich habe, also Anfang September hatte ich den Herzinfarkt. Dann habe ich November die Reha gemacht. Habe Dezember und Januar habe ich mir noch gegönnt als Auszeit und habe dann im Februar wieder angefangen zu arbeiten. Und habe relativ schnell wieder genauso gearbeitet, wie vor dem Herzinfarkt.
Das war zum einen aus einer positiven Geschichte heraus, weil alle meine Kunden gesagt haben, „Erhol dich gut und wir freuen uns, wenn du wieder an Bord bist.“ Und die haben einfach, wo ich gesagt habe, „Ich bin wieder gesund“, haben die sofort wieder genauso gebucht, wie zuvor. Also war ich auch gleich wieder in derselben Schlagzahl drin, wie zuvor. Das ist auf der einen Seiten sehr, sehr positiv.
Aber ich hatte dann im September 2015 so ein recht einschneidendes Erlebnis. Ich lag in einem Hotelzimmer in Hamburg und habe gerade meinen Laptop zugeklappt, irgendwann so um halb elf. Also auch eine relativ normale Zeit für mich den Laptop zuzuklappen, und habe dann gemerkt, ich kriege wieder so komische Schmerzen in der Brust, die sich so ähnlich anfühlten, wie beim Herzinfarkt und dachte mir, „Oh, oh, was passiert denn jetzt?“
Habe auch wirklich das Telefon schon in der Hand gehabt, um den Notruf zu wählen und dann verschwanden die Schmerzen wieder. Und das hat mir noch mal so richtig einen kleinen Nackenschlag versetzt, wo ich drüber nachgedacht habe, okay, du arbeitest wieder exakt so wie vor dem Herzinfarkt. Also Lernkurve war einfach eine waagerechte Gerade. Und ist es das denn wert?
Und ich bin dann am nächsten Tag gleich hergegangen und habe meinem Kunden gesagt, „Hier, wir können dieses Projekt noch gerne fertig machen, aber zum Ende des Jahres lassen wir das auslaufen. Ich stehe 2016 nicht mehr als Trainer zur Verfügung.“
Das habe ich mit verschiedenen Kunden dann auch gleich gemacht. Zwei, drei Kleinere habe ich mir behalten, weil ich da eben gemerkt habe, okay, das war jetzt tatsächlich noch mal so ein Wink mit dem Zaunpfahl. Ich möchte nicht irgendwann morgens in irgendeiner Stadt, in irgendeinem Hotelzimmer aufwachen und feststellen, dass ich tot bin. Also das wollte ich nicht.
Geropp:
Wäre ungünstig. Ja.
Sänger:
Und ja, und von daher ist es schon ganz wichtig, obwohl ich drüber nachgedacht habe, obwohl ich mir Dinge vorgenommen habe. Und. Und. Und. Ich bin wieder komplett in das alte Fahrwasser reingerutscht und brauchte noch mal so einen Schlag auf den Hinterkopf im Sinne eines Erlebnisses, dass ich es jetzt wirklich, hoffentlich kapiert habe.
Geropp:
Ja, ich finde das sehr, sehr schön, dass du mit dem Podcasten Anfang des Jahres, glaube ich, angefangen hast. Mit dem „Leben duldet keinen Aufschub“
Sänger:
Ja. Im März.
Geropp:
Und ich glaube, dass du da regelmäßig dich ja auch immer wieder mit diesem Thema beschäftigst, wird auch dazu helfen, trägt auch dazu bei, dass du nicht mehr in dieses alte Fahrwasser reinkommst, hoffe ich.
Sänger:
Ja. Also das ist tatsächlich ein wichtiger Punkt. Wenn man einen wöchentlichen Podcast macht, dann muss man sich ja immer damit befassen. Natürlich kann man ein bisschen auch die Themen bündeln und mal zwei, drei Folgen vorproduzieren. Gerade jetzt bin ich auch wieder auf dem Sprung und fliege nach Amerika. Da muss ich natürlich vorproduzieren.
Aber es ist schon so, dass ich eigentlich mit sehr offenen Augen und Ohren jetzt durch die Welt laufe und überall Themen sehe, wo ich denke, jawohl, da kannst du einen Podcast draus machen, weil das so ist, wie du früher auch warst, zum Beispiel. Weil ich mich selber erkenne dann.
Geropp:
Du erkennst dich immer wieder selbst. Ich glaube, das ist eine gute Möglichkeit aus diesem Fahrwasser dann rauszukommen.
Sänger:
Absolut.
Geropp:
Martin, ich möchte mich herzlichst bei dir bedanken. Hat mir riesen Spaß gemacht, wie immer bei unseren Gesprächen. Und ich drücke die Daumen, dass du nicht mehr in das Fahrwasser reinkommst und kann jedem nur empfehlen, sich diesen Podcast von dir „Leben duldet keinen Aufschub“ da mal reinzuhören.
Ich glaube, das lohnt sich für jeden von uns, der irgendwie als Führungskraft unterwegs ist, weil wir alle mehr oder weniger uns über solche Sachen immer mal wieder Gedanken machen sollten. Vielen Dank, Martin.
Sänger:
Vielen Dank, Bernd.
Das inspirierende Zitat
„Die größte Entscheidung Deines Lebens liegt darin, dass Du Dein Leben ändern kannst, indem Du Deine Geisteshaltung änderst.„
Albert Schweitzer
Weiterführende Links:
- Webseite von Martin Sänger
- Martin’s Podcast: „Leben duldet keinen Aufschub“
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