Bildung ist nicht nur Wissen!
Letztes Wochenende nahm ich an der feierlichen Abitur-Zeugnisübergabe meines ältesten Sohns teil. Es war eine schöne Zeremonie. Ein solches Ereignis ist für jeden Vater und jede Mutter ein bewegendes wie auch einschneidendes Erlebnis. Mir ging es nicht anders.
Das Ereignis hat mich dazu angeregt, nachzudenken, was Bildung eigentlich genau bedeutet.
Reifezeugnis
Etwa 80 junge Männer und Frauen erhielten auf der Veranstaltung offiziell ihr sogenanntes Reifezeugnis.
Laut Wikipedia berechtigt das Reifezeugnis zum Studium an einer Hochschule. Es ist der Nachweis, dass der Studienkandidat angeblich über die Fähigkeiten zur Aneignung von Wissen verfügt, das an Hochschulen vermittelt wird.
Das Reifezeugnis ist also die Voraussetzung, um an einer Hochschule lernen zu dürfen und sich so Bildung anzueignen.
Formale Bildung
Wenn wir im täglichen Leben von Bildung sprechen, dann wird dieses Wort häufig gleichgesetzt mit der formalen Ausbildung – also der Schulbildung oder der Wissensvermittlung im Studium.
Wer den krönenden Abschluss des Bachelors, Masters, Diploms oder Doktors nachweisen kann, hat vermeintlich den Beweis erbracht, dass er gebildet ist: der Herr Ingenieur, der Herr Doktor, der Herr Amtsrat, der Herr was weiß ich … – allesamt gebildet aufgrund ihrer formalen Ausbildung.
Bildung = Aneignung von Wissen?
Mir gefällt das nicht. Das Wort Bildung wird da nur auf die Aneignung von Wissen reduziert. Gerade in der heutigen Zeit des Internets und Wikipedia bringt Wissen allein aber wenig.
Früher hatte der Ausspruch:
„Wissen ist Macht“
durchaus noch seine Berechtigung. Schließlich war der Zugang zu Wissen extrem beschränkt. Das Wissen über die Welt war nur wenigen zugänglich und es war mühsam es sich anzueignen.
Heute ist das anders. Jeder, der einen Internetzugang hat und lesen kann, hat freien Zugang zu fast jeder Art von Wissen.
Wissen ist nur ein Hilfsmittel!
Wissen ist nicht das Problem!
Zu wissen, welches Wissen man braucht und wie man sich welches Wissen aneignet und was man dann damit tut – das ist die Herausforderung.
Bildung darf sich nicht auf Wissen reduzieren. Wissen ist nur ein Hilfsmittel. Wer sich wirklich bildet, der bildet seine Persönlichkeit.
Es geht um Urteilsvermögen, um Reflexion, um Probleme erkennen und lösen. Es geht darum, mit komplexen Situationen fertig zu werden und sich als Person immer besser selbst zu erkennen mit all den eigenen Stärken und Schwächen.
Fokus auf gute Noten?
Der Fokus in der Ausbildungszeit auf gute Noten und schnelles Studieren ist kontraproduktiv. Für die Persönlichkeitsentwicklung und damit auch für die eigene Bildung ist es entscheidend, dass man sich nicht nur Wissen aneignet.
Es geht vor allem darum, Erfahrungen zu machen, sich in neuen Situationen zu bewähren, den Umgang mit dem Scheitern zu lernen und, und, und.
Leider scheinen viele Akademiker nach der Ausbildung die Einstellung zu haben, sie hätten genug gelernt. Schließlich haben Sie ihr Studium bravourös mit einer guten Note abgeschlossen und sind damit hervorragend gewappnet für das Berufsleben. Jetzt geht es nur ums Geld verdienen, ums Arbeiten, um das eigene Haus, Familie, Freizeit. Die Bildung ist abgeschlossen.
Was für eine Fehleinschätzung!
Bildung und Persönlichkeit!
Bildung und Persönlichkeitsentwicklung sind etwas Kontinuierliches. Die eigene Entwicklung hört erst auf, wenn man den Löffel abgibt.
Das Problem ist: Wer sich aktiv weiterentwickeln will, der darf nicht aufhören sich aktiv darum zu bemühen und aktiv zu lernen. Damit ich lernen kann, muss ich mich aber regelmäßig aus meiner Komfortzone bewegen. Ich muss den A… hoch kriegen.
Raus aus der Komfortzone
Schule und Universität ist nicht das Ende der Bildung, sondern erst der Anfang. Sich möglichst viel Wissen anzueignen und gute Zeugnisnoten zu bekommen, das ist nicht entscheidend. Was man in der Zeit gemacht hat, das prägt die Persönlichkeit.
Meinen beiden Söhnen versuche ich mitzugeben, dass sie ihren eigenen Weg gehen sollen. Dafür ist es wichtig, dass sie sich aktiv und immer wieder in für sie unbequeme und herausfordernde Situationen begeben. Nur so, glaube ich, entwickelt man sich maximal weiter und bildet sich weiter. Letztendlich scheint mir das auch der Schlüssel für ein erfülltes Leben zu sein.
Leider scheint es so zu sein, dass die Mehrzahl der Menschen das Risiko scheut und deshalb lieber ängstlich in der eigenen, vermeintlich sicheren Komfortzone verbleibt. – Wie schade!
Dies ist mein Beitrag zur Lecturio-Blogparade:
„Wie stark beeinflusst Bildung unser Leben?“.
Vielen Dank an Maria Jaehne von Lecturio für den Aufruf zu dieser Blogparade.