FPG124 – Mobbing am Arbeitsplatz – Interview mit Thomas Reining
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Was ist eigentlich Mobbing? Beim Mobbing am Arbeitsplatz werden andersartige oder unliebsam gewordene Kollegen oder Mitarbeiter unter seelischen Druck gesetzt. Dabei kommen perfide Methoden zum Einsatz wie beispielsweise Anfeindungen, Diskriminierungen oder sonstiges ungerechtes oder destruktives Verhalten.
Ein treffendes Zitat habe ich hierzu von Esther Klepgen gefunden:
„Das Widerliche an Mobbing ist, daß man Menschen um ihre Selbstwahrnehmung bringt.“
Ich fühle mich nicht als Experte zu diesem Thema. Deshalb fand ich es sehr hilfreich, dass Thomas Reining vor Kurzem dem Thema Mobbing zwei Episoden seines hörenswerten Podcasts „Gute Führung braucht Gespür!“ gewidmet hat.
Und zwar die Folgen 15: „Mobbing: Wie geht man damit um?“ und Folge 16: „Thema Mobbing: Interview mit Rechtsanwalt Frank Poillon“. Beide Folgen haben mir sehr gut gefallen. Deshalb habe ich einfach Thomas zum Interview gebeten.
Thomas Reining
Thomas Reining ist Trainer, Coach und zertifizierter Value Profiler für Führungskräfte und Manager.
Er hat 30 Jahre in Führungspositionen in internationalen Konzernen und multinationalen Teams gearbeitet und hat sich so eine Menge an Erfahrung im Führungskontext in der Praxis angeeignet.
Mobbing am Arbeitsplatz
Mit ihm unterhalte ich mich im folgenden über Mobbing. Wann fängt Mobbing an und wann ist es nur Stichelei oder ein normaler Konflikt?
Was sollte man tun, wenn man selbst gemobbt wird – ja, das kann Ihnen sehr wohl auch als Führungskraft oder Chef passieren und auch was tue ich als Führungskraft, wenn ich merke, dass etwas mit einem meiner Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen nicht stimmt und ich die Vermutung habe, dass hier jemand gemobbt wird.
Weiterführende Links
- Webseite von Thomas Reining
- Interview mit Rechtsanwalt Frank Poillon über Mobbing
- So erkennen Sie Konflikte!
- Mobbing am Arbeitsplatz vom Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V.
- E-Book: Mobbing am Arbeitsplatz
Hier also unser Gespräch zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz:
Das transkribierte Interview mit Thomas Reining:
Geropp:
Thomas, hast du denn selbst schon mal einen Fall von Mobbing für Dich oder bei Mitarbeitern von Dir erlebt?
Reining:
Ja. In vielerlei Hinsicht. Auch wenn ich dazu sagen muss, dass ich in einem Unternehmen gearbeitet habe oder in Unternehmen gearbeitet habe, wo Mobbing nicht unbedingt zur Kultur des Unternehmens gehörte.
Aber letztendlich, da wo Menschen zusammenarbeiten, wird es Mobbing, Necken, wie immer man das nennen möchte, Mobbing ist ja die verschärfte Form, es wird es immer geben. Und leider ja, ich habe das an vielen Stellen auch beobachten müssen.
Geropp:
Hast Du es an deinem eigenen Leib auch erfahren, also als Betroffener oder hast Du es mehr beobachtet?
Reining:
Ich habe es beobachtet. Ich habe es Mitte der 80er Jahre, ich denke, mal in den Anfängen auch mal am eigenen Leibe gespürt.
Geropp:
Okay.
Reining:
Ich habe das damals aber, da war der Begriff „Mobbing“ ja noch völlig unbekannt, intuitiv ganz schnell in den Griff bekommen. Das war das reine Glück.
Geropp:
Und wie hast Du das gemacht?
Reining:
Offensiv damit umgegangen. Sofort meine direkte Führungskraft involviert, angesprochen, aufgeklärt und mir von der Seite direkt die Rückendeckung geholt.
Wenn Du die Rückendeckung bekommst, dann kriegst Du das Problem sehr schnell in den Griff. Dann agierst Du nämlich aus einer Position der Sicherheit.
Geropp:
Wie unterscheidest Du, Sticheleien oder blöde Bemerkungen oder man hat mal einen Konflikt mit jemandem zum wirklichen Mobbing. Also wann gehen diese Sticheleien oder blöden Bemerkungen eigentlich zu weit? Wann fängt Mobbing wirklich an? Was ist da die Definition?
Reining:
Da gibt es eine Zeitkomponente. Das muss relativ regelmäßig passieren. Einmal wöchentlich über mindestens einen Zeitraum von einem halben Jahr. Das ist so die Definition, die allgemein üblich ist, die dann auch zum Beispiel in Urteilen, Gerichtsurteilen oder im Verfahren angewendet wird.
Zu diesem Level ist es bei mir, Gott sei Dank, nie gekommen, weil, ich merkte ganz schnell, da läuft was in die ganz falsche Richtung und habe geahnt, wenn ich da nicht einschreite, dann wird da eine Lawine losgetreten, wo dein Name letztendlich durch den Schmutz gezogen werden könnte und deshalb habe ich direkt eingegriffen.
Geropp:
Also, wenn ich dich richtig verstanden habe, hattest Du da eingegriffen, indem Du mit deinem Vorgesetzten gesprochen hast.
Reining:
Richtig. Wenn da die Gerüchte weitergegangen wären, hätte sich das verselbständigt.
Geropp:
Und wie hast Du das dann in den gemacht? Hast du mit dem, der dich gemobbt hat darüber auch gesprochen?
Reining:
Nein, ich habe lediglich meinen Line-Manager angesprochen, habe mit dem das Problem erörtert und der hat mir die Rückmeldung gegeben.
„Machen Sie sich keine Sorgen, was immer passiert, was immer hier ankommt, geht direkt in den Papierkorb.“
Ich war damals im Ausland, ich hatte noch ein halbes Jahr im Ausland zu arbeiten. Ich wusste, nach dem halben Jahr gehe ich weg. Ich habe aber keine Lust gehabt mir in diesem halben Jahr meinen Ruf kaputtmachen zu lassen.
Geropp:
Ja. Das kann ich mir vorstellen. Das ist natürlich noch mal eine sehr extreme Situation. Wenn Du im Ausland bist, fehlt dir ja normalerweise Dein ganzes Netzwerk.
Wenn man sich das Mobbing anschaut: Noch mal zur Definition. Du sagst, da ist eine zeitliche Komponente drin. Wie merke ich denn, dass ich gemobbt werde und dass es nicht nur diese Sticheleien sind? Wie lange muss das andauern? Gibt es da einen bestimmten Wert oder wie macht man das?
Reining:
Ja, wie gesagt, ich hatte dieses Problem ganz schnell im Griff. Ich kam gar nicht in die Situation dieser heutigen Mobbing Definition.
Generell gibt es immer mal Sticheleien und Frotzeleien zwischen Kollegen. Das ist auch Branchen unterschiedlich. In der Baubranche ist vielleicht der Ton ein bisschen härter, als vielleicht in einer Behörde oder im Amt.
Aber letztendlich geht es darum, dass man jemanden versucht, systematisch zu beschädigen. Und der Betroffene kriegt das am Anfang erstmal gar nicht mit, denn das läuft ja hinter seinem Rücken.
Diese typischen Mobber, die so eine Welle lostreten, die versuchen auch Leute zu finden, die sie in ihren Aktivitäten unterstützen. Die versuchen dann irgendwann als Gruppe aufzutreten.
Und da gibt es so ganz perfide Methoden. Beispielsweise indem man dem Kollegen nur mal so eine ganz süffisante Frage stellt:
„Was hälst Du denn von dem?“
Da kommt der schon ins Nachdenken. Dann geht das los. Und dann legst du vielleicht noch in den nächsten Tagen so ein, zwei kleine Brandbomben hinterher und dann gibt es so einen Verselbstständigungs-Effekt. Und wo zwei sind, findet sich dann sehr oft auch ein Dritter und ein Vierter und ein Fünfter und auf einmal steht das Mobbing-Opfer ganz alleine da.
Geropp:
Ich habe immer so ein Bild vor mir, wenn man über Mobbing spricht, das kommt aber bei mir eher so aus der Schulzeit.
Warum mobbt jemand im Unternehmen? Was sind die Gründe dafür? Bei der Schule weiß ich das. Selbstbestätigung oder wie auch immer, welche Gründe es da alles gibt. Bei Kindern oder Jugendlichen sich selbst über andere zu stellen. Aber wie sieht das aus in Unternehmen?
Reining:
Gute Frage. Also das ist, ich weiß nicht, zu dick, zu dünn, zu blond, zu fleißig, zu faul, zu still, zu laut, zu extrovertiert, zu introvertiert.
Geropp:
Häufig sind es ja einfach: Mensch der ist anders, als wir – und deswegen wird gemobbt.
Reining:
Richtig. Und Menschen können sehr grausam sein. Die können grausamer sein, als Hunde oder andere wilde Tiere.
Ganz oft, denke ich, ist es ja ein gewisses Konkurrenzdenken. Vielleicht auch, da kommt ein Neuer oder kommt ein anderer, ich muss meine eigene Position sichern.
Dann kann es persönliche Antipathien geben: Der gefällt mir nicht. Die Frisur gefällt mir nicht. Der guckt mich immer komisch an. Ich weiß nicht. Da kommt ein Neuer, dem fehlt der Stallgeruch. Gibt es auch.
Und eine Sache, die ich auch selber so, bei damals meinen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern festgestellt habe, da gab es jemand, unglaublich ehrgeizig und die familiäre Situation alleinstehend, keine Kinder. Gesamter Fokus lag auf der Firma. 100 Prozent. Und wenn solche Menschen dann mit anderen Kollegen arbeiten, die eine andere Lebensform haben, verheiratet, ein Kind. Die Firma ist nicht 150 Prozent, sondern nur 100 Prozent, dann ist das ein idealer Nährboden, wenn die eigene Erwartungshaltung und die Arbeit, wenn das auf den anderen transferiert wird.
Geropp:
Also im Prinzip geht es da wieder darum: Der ist anders als ich.
Reining:
Der ist anders als ich. Ja.
Geropp:
Was sollte man denn als Führungskraft, als Chef tun, wenn man merkt, dass ein Mitarbeiter gemobbt wird?
Reining:
Also ich denke, Klarheit schafft Vertrauen. Und man muss einschreiten. Aber man sollte es auch nicht überstürzen. Es hilft zunächst mal, die Situation genau zu beobachten, wenn ich es irgendwo wahrnehme oder vielleicht auch von irgendeiner Seite mal einen Hinweis bekomme.
Ich glaube auch, es hilft ganz stark, wenn man sich selber als Führungskraft in so einem Fall über seine Beobachtung Notizen anlegt. Einfach um es zu reflektieren. Es kommt dann irgendwann an den Punkt, da muss man zunächst mal mit dem Betroffenen sprechen.
Geropp:
Also rauskriegen, wie er das empfindet?
Reining:
Wie geht es Dir? Exakt. Wie empfindest Du das? Und meine Erfahrung ist, wenn Du jemand so direkt ansprichst, das bricht aus den Leuten direkt heraus.
Da hast du als Führungskraft hast du ja vermutlich direkt jemanden vor Dir sitzen, der in Tränen ausbricht und Dir sein Herz ausschüttet und dankbar ist, dass er überhaupt mal gehört wird.
Weil diese Leute haben auch unglaubliche Angst, sehr oft unglaubliche Angst an ihre Führungskraft heranzutreten. Die fühlen sich schlecht. Ja und dann kann man in dem Fall eigentlich auch erstmal nur den Tipp geben oder die Frage stellen:
„Hast du es für dich selber mal dokumentiert? Kannst du es für dich selber dingfest machen, was da gerade passiert? Hast du Beispiele?“
Ganz oft ist es so, dass die Leute das täglich erleben, sich aber nie Notizen dazu machen. Das nie aufschreiben. Die sind, ja, wie in so einem Vakuum.
Geropp:
Also, wenn ich dich richtig verstehe, ist das auch der erste Tipp, den der Chef dann dem Mitarbeiter gibt, wenn so was vorgeht:
„Schreibe es auf, mach es schriftlich, damit man eine quasi wie eine Historie von den Vorfällen hat.“
Reining:
Das ist richtig. Da muss ich natürlich auch beifügen, da kommt es immer auf die Eskalationsstufe an. Denn solche Aufzeichnungen, um sie am Ende verwertbar zu haben, müssen, so weit ich mich erinnere, über mindestens ein halbes Jahr geführt werden.
Geropp:
Das ist ja schon ein langer Zeitraum.
Reining:
Das ist ein langer Zeitraum und es kann Situationen geben, da hast Du als Chef überhaupt nicht mehr die Zeit ein halbes Jahr Dir das anzuschauen und das abzuwarten, weil, da können Menschen vor die Hunde gehen.
Geropp:
Also wenn jemand schon in so einem Gespräch dann in Tränen ausbricht, dann ist da ja schon in der Vergangenheit extrem viel passiert. Da muss ich aber als Chef wahrscheinlich schon direkt einschreiten, oder?
Reining:
Richtig. Und ganz häufig ist es ja heute so, wir leben oder wir arbeiten in Matrix-Organisationen. Oft sind auch die Zuständigkeiten gar nicht mehr so 100 Prozent klar geklärt. Wenn Leute in Projekten arbeiten oder mit überschneidenden Verantwortlichkeiten, wo für bestimmte Bereich vielleicht zwei oder drei Line-Manager zuständig sind.
Da kann man dann nur empfehlen, hol dir deine Führungskraft-Kollegen mit ins Boot, denn es hilft nichts, wenn du was anstößt, aber der Kollege ist mit dem Mobber ja so zufrieden und über die Arbeitsleistung so glücklich, der will die gar nicht verlieren. Dann fängst du an einer ganz anderen Stelle mit einem Grabenkrieg kann.
Geropp:
Das wäre der Fall, wenn man es selbst gar nicht so mitkriegt, weil, wenn ich in einem Meeting bin als Chef und ich merke, da wird jemand gemobbt, dann kann ich da ja direkt eingreifen.
Ich tue mir natürlich schwer mit, wenn ich es gar nicht erkenne, sondern ich erkenne nur, dass so ein Gefühl da ist. Irgendwas stimmt hier nicht und das dann in der Art anspreche, wie du es vorhin gesagt hast.
Reining:
Genau. Und dann kannst Du dir eben auch die Unterstützung von Führungskraft-Kollegen holen. Dann kannst Du es ansprechen und dann kannst Du, wenn Du das alles einmal rund gemacht hast, dann kannst Du auch mit dem Mobber direkt ins Gespräch gehen.
Geropp:
Wie würdest Du das machen mit so einem Mobber?
Reining:
Ich glaube, da gibt es jetzt kein Patentrezept. Da muss man sich auch den Menschen richtig angucken, wie man den am besten anpackt. Aber ich denke auf jeden Fall, man muss klar machen, dass man ein solches Verhalten nicht toleriert. Meistens ist es ja auch so, dass es erstmal abgestritten wird.
Geropp:
Ja. Das denke ich mir.
Reining:
„So ist ja gar nicht.“
Ja und dann muss man ganz deutlich klar machen: Du bist unter Beobachtung. Wir registrieren das und wir akzeptieren das nicht.
Und da muss man nur klar sein. Da gibt es dann natürlich auch die verschiedensten Facetten, die dann als Feedback kommen. Da gibt es teilweise sogar Rechtfertigungen
„Der arbeitet nicht.“
oder
„Der passt hier nicht rein.“
Da gibt es die verschiedensten Möglichkeiten. Aber da muss man dem Mobber klar machen, dass er nicht derjenige ist, der die Personalauswahl trifft und der die Entscheidungskompetenz hat.
Geropp:
Ja und dass man in keinem Fall, egal, selbst wenn es so ist, in der Art mit demjenigen umgeht.
Reining:
Genau.
Geropp:
Thomas, was hat das denn für rechtliche Konsequenzen, wenn ich jetzt als Chef, als Führungskraft, als Geschäftsführer Mobbing zum Beispiel nicht erkenne und da passiert irgendwas?
Meine moralische Verantwortung ist mir klar. Wie sieht es mi der rechtlichen aus?
Reining:
Wenn du es gar nicht mitbekommst? Oder wenn du vorgeben kannst, dass du nichts davon mitbekommen hast? Ich denke mal, da ist es schwierig von irgendwelchen Konsequenzen zu sprechen.
Problematisch wird es wirklich, wenn du als Führungskraft informiert bist. Wenn vielleicht das potenzielle Mobbing-Opfer zu Dir gegangen ist, Dich informiert hat und, wenn Du dann nicht reagierst, dann verletzt Du deine Fürsorgepflicht und das kann herbe Konsequenzen haben.
Das kann in Richtung Schadenersatz gehen. Da möchte ich aber hier gar keine rechtliche Beratung geben. Da kann ich nur jedem empfehlen, der in so einer Situation ist, bitte informieren Sie sich, holen Sie sich Rat. Da sind die Anwälte die besseren Ratgeber.
Geropp:
Das verstehe ich. Aber ich glaube, worüber wir noch sprechen sollten ist, was sollte man denn tun, wenn man jetzt selber gemobbt wird. Das heißt, wenn ich Dich richtig verstehe, Du hast es eben ja schon angedeutet, sehr hilfreich ist es, wenn man dann zu seinem Chef gehen kann. Warum wird das häufig nicht gemacht?
Reining:
Gerade in so wirklich hierarchisch strukturierten Unternehmen ist da häufig fehlendes Vertrauen zur Führungskraft der Grund. Da fühlt man sich als Mobbing-Opfer auch oft selbst schuld.
Wenn man dieses Gefühl hat, ich muss jetzt was nach vorne treiben, ich muss zu meinem Chef gehen, dann geht es mir ja persönlich schon richtig schlecht. Dann habe ich ja erstmal schon ganz, ganz viel Leid am eigenen Leibe erfahren. Ich bin dann auch in meiner Arbeit extrem verunsichert.
Das heißt, wenn ich unsicher bin, wenn ich mich in meiner Arbeit nicht mehr sicher fühle, dann fange ich an Fehler zu machen und das öffnet natürlich direkt wieder Tür und Tor für die Mobber in diese Kerbe immer wieder rein zu schlagen und am Ende heißt es dann:
„Guck mal, der macht nur Fehler.“
Geropp:
Und dann habe ich natürlich Angst, wenn ich zum Chef gehe, das der sagt oder meint:
„Ja, aber die haben ja Recht, Sie machen ja nur Fehler.“
Reining:
Genau.
Geropp:
Das ist dann so eine Spirale, in die man reinkommt.
Reining:
Exakt. Also die Spirale. Und man hat die Sorge und auch die Angst, Du gehst da rein und da waren schon drei andere vor dir und haben sich über dich beklagt.
Von daher kann man eigentlich nur jedem empfehlen, der in so eine Situation reinkommt, ganz schnell die Sache zu analysieren, an bestimmten Punkten festzumachen. Sind die Neckereien, sind die Späße, die gerade mit mir gemacht werden, sind die reiner Zufall oder bin ich immer derjenige, über den ein Spaß gerade gemacht wurde?
Ja? Bin ich es nur, der die Einladung zum nächsten Meeting nicht bekommen habe. Ist es ein Zufall, wenn ich jetzt gerade in die Kaffeeküche komme, um mir einen Tee zu holen, dass drei Leute mit dem Gespräch verstummen.
Passiert das einmal oder passiert das jedes Mal, wenn ich dahin komme. Ich meine, es kann auch mal ein privates Gespräch in einer Kaffeeküche geben zwischen zwei Mitarbeitern. Die möchten das jetzt nicht im großen Kreis diskutieren. Das ist ganz normal. Aber wenn jedes Mal das Gespräch verstummt, dann sollte man ja selber mal reflektieren, inwiefern man da gerade vielleicht als potenzielles Opfer unterwegs ist.
Geropp:
Also es geht um diese Systematik, dass das immer wiederkehrend ist.
Reining:
Es geht um die Systematik.
Geropp:
Wenn ich das erkenne, dann würdest du denn sagen, es ist erstmal, als derjenige, wo man das Gefühl hat, ich werde gemobbt, dass ich erstmal auf die Leute zugehe und sage,
„Sag mal, stimmt was nicht?“
Wie reagiert, wenn man dann tatsächlich gemobbt wird, der Mobber normalerweise auf so was?
Reining:
In diesen Bereichen habe ich, Gott sei Dank, noch nicht so viel Erfahrung gemacht. Aber ich denke, der Mobber kann sehr unterschiedlich reagieren.
Wichtig ist es erstmal als Mobbing-Opfer das Ganze zu dokumentieren, eine Art Tagebuch zu schreiben, damit man was in der Hand hat. Das ist wichtig auch, wenn es vielleicht in eine nächste Eskalationsstufe geht.
Mit solchen Notizen, mit so einem Tagebuch sollte man als potenzielles Opfer sich auch den Mobber mal an die Seite nehmen und sagen,
„Hast du ein Problem mit mir? Was ist das Problem? Liegt es an mir? Habe ich was falsch gemacht? Wie können wir das klären?“
und dann wird man vermutlich erstmal als Antwort kriegen,
„Wieso, ist doch alles in Ordnung.“
und dann, denke ich, ist es sehr hilfreich, wenn man so ein kleines Tagebuch hat und dann sagt:
„Guck mal, an dem Tag hast du das zu mir gesagt. An dem Tag ist das passiert.“
und, und, und, und. Damit macht man den Mobber darauf aufmerksam, dass man das dokumentiert hat.
Geropp:
Ja und es kann ja auch durchaus der Fall sein, dass der sagt
„Du, das tut mir leid, so war das überhaupt nicht gemeint, ich werde da zukünftig drauf achten, dass, ich dachte, das ist einfach nur ein bisschen Stichelei. Es tut mir leid, dass das bei dir so ankommt.“
kann ja auch der Fall sein oder?
Reining:
Das kann der Fall sein und das wäre eigentlich die Idealform, wenn man durch bloßes Sprechen so eine Situation ganz schnell klären kann.
Geropp:
Gut, und wenn es nicht sich klären lässt, wenn er das abstreitet und es danach immer wieder macht, dann ist wirklich der Weg, dass ich zum eigenen Chef gehe oder zu dem Chef dieses Mitarbeiters.
Reining:
Dann ist der Weg zum Chef und dann muss man das ganz offen und ehrlich ansprechen und sollte auch von dem Chef eine verbindliche Zusage einfordern, dass von der Seite was unternommen wird.
Leider Gottes passiert das, ja es passiert halt, man ist im Stress, man hat wieder eine Baustelle, die man jetzt bearbeiten muss, dass man dem vielleicht nicht so viel Beachtung schenkt.
Da sollte man, wenn man in so einer Situation steckt, schon drauf achten, dass da von Seiten der nächsten Ebene etwas passiert. Wenn ich das Gefühl habe, da passiert nichts, dann kann ich nach dem Gespräch mit meinem Chef hingehen und kann eine Zusammenfassung des Gesprächs per E-Mail noch mal hinterher schicken.
„Lieber Herr sowieso, im heutigen Gespräch haben wir diese Punkte angesprochen. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.“
Geropp:
Ja, ich verstehe. Weil damit hat man es schriftlich gemacht.
Reining:
Exakt. Und in so einer Situation, also wenn ich da als Führungskraft nicht reagiere, dann weiß ich auch nicht. Da stehe ich dann wirklich in einer Verantwortung und bereite mir selber große Probleme, wenn ich nichts tue.
Geropp:
Ja. Thomas, abschließend. Wie schafft man denn ein Umfeld, in dem solches Mobbing frühzeitig erkannt wird beziehungsweise möglichst vielleicht sogar gar nicht erst entsteht?
Reining:
Da gibt es natürlich gerade in größeren Unternehmen sogenannte Mobbing-Frühwarnsysteme. Das sind dann Aufklärungsmaßnahmen. Das sind Schulungen. Auch Schulungen für die Führungskräfte. Dazu gehört auch so ein Stimmungscheck am Arbeitsplatz.
Geropp:
Okay. Wie funktioniert das mit so einem Stimmungscheck?
Reining:
Das ist ein Fragebogen. Da gibt es die verschiedensten Dinge, die abgefragt werden. Es gibt da verschiedene Systeme und Tools. Ich will da jetzt gar nicht für das eine oder andere Werbung machen, aber letztendlich geht es darum, das Empfinden der Mitarbeiter abzufragen.
Geropp:
Okay. Also eine Mitarbeiterbefragung quasi.
Reining:
Genau. Die natürlich dann anonym stattfinden sollte und das sollte nicht bei der Zusicherung bleiben, sondern es sollte auch wirklich anonym umgesetzt werden.
Geropp:
Ja. Verstehe.
Reining:
Ja. Gut. Dann gibt es auch arbeitsorganisatorische Maßnahmen, transparente Entscheidungen, transparente Arbeitsabläufe.
Wichtig ist auch Mensch und Rolle zu matchen, dass das zusammenpasst, dass die Leute sich wohlfühlen in dem, was sie tun. Mitarbeiter müssen auch entsprechend qualifiziert werden. Als Führungskraft, wenn ich jemand auf eine Position setze, der er nicht gewachsen ist, dann kreiere ich da ein potenzielles Mobbing-Opfer.
Geropp:
Also in beide Richtungen? Dass er unter Umständen mobbt, weil er überfordert ist. Vielleicht sieht er das gar nicht so in dem Moment, aber er tut es unbewusst. Und selbst wird er auch gemobbt, weil er von anderen nicht anerkannt wird.
Reining:
Exakt. Individuelle Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden. Auch wenn es strukturelle, organisatorische Veränderungen innerhalb des Unternehmens gibt, da müssen neue Betriebsabläufe kommuniziert werden, klar gemacht werden, damit die Leute sich drauf einstellen können, und dass nicht so ein Vakuum entsteht.
Aber ich glaube, das aller Entscheidendste ist, es gibt ja so einen schönen Satz:
„Was du nicht willst, was man dir tut, das führe auch keinem anderen zu.“
Man muss Teamwork promoten. Team-Mitglieder müssen sich kennenlernen. Die müssen sich kennen. Die müssen zusammenstehen und dazu gehört jetzt nicht nur der berufliche Teil.
In meinen Augen gehört da auch ganz stark die private Komponente mit rein. Denn je besser ich meinen Nebenmann kenne, je mehr ich auch über seine Probleme weiß, desto mehr Verständnis dafür habe ich. Und jemand, den ich kenne, den ich gut kenne, den mobbe ich wahrscheinlich nicht so schnell, wie jemanden, von dem ich nichts weiß.
Vielleicht ärgere ich mich über den jeden Tag, weil der vielleicht immer auf den letzten Drücker kommt, weil der immer Morgens unausgeschlafen aussieht, weil ich vielleicht denke, der sumpft die ganze Nacht rum. Wenn ich aber weiß, dass der vielleicht im Moment seine kranke Mutter pflegt und jede Nacht zweimal aus dem Bett muss, dann habe ich dafür ein ganz anderes Verständnis mit dem umzugehen, dem auch zu helfen, als wenn ich das nicht weiß.
Und solche Dinge kann man auch als Führungsteam, die kann man promoten. Da gibt es Möglichkeiten. Teambuilding ist so ein wunderbarer Ausdruck, der ja immer wieder benutzt wird, aber ja, es ist letztendlich Teambuilding und es ist das gegenseitige Kennenlernen und zusammenarbeiten. Ich denke, darüber kriegst du ganz viel in Griff. Und Leute, die du kennst, die mobbst du nicht.
Geropp:
Wenn ich dich auch richtig verstehe, alles das, was du jetzt gesagt hast, ist eigentlich das, was wir allgemein mit dem Begriff „gute Führung“ verbinden.
Das heißt, wenn ich darauf achte, habe ich zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ich Mobbing auch wirklich dann frühzeitig erkenne und vielleicht sogar in den meisten Fällen vermeiden kann.
Thomas, ich möchte mich recht herzlich bei Dir bedanken. Das war ein sehr spannendes Gespräch für mich. Vor allem, weil ich mich mit „Mobbing am Arbeitsplatz“ noch nicht genügend beschäftigt habe. Deswegen möchte ich mich herzlich bei dir bedanken für das Gespräch.
Reining:
Bernd, ich bedanke mich auch. Hat riesigen Spaß gemacht und danke für die Einladung.
Das inspirierende Zitat
„Das Widerliche an Mobbing ist, daß man Menschen um ihre Selbstwahrnehmung bringt.“
Esther Klepgen
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