Nachhaltige Führung und Visionen
Der Begriff nachhaltige Führung und Nachhaltigkeit taucht immer öfter in den Leitbildern großer Unternehmen auf.
Vorstandsvorsitzende und Politiker nutzen den Begriff fast schon in inflationärer Weise. Mein Eindruck ist: Nachhaltigkeit verkommt zu einer Plattitüde.
Was bedeutet denn nachhaltiges Wirtschaften für die meisten Großunternehmen?
Nachhaltige Führung in Großunternehmen
Auf den Internetseiten eines international tätigen deutschen Maschinenbaukonzerns lese ich dazu beispielsweise:
„Unser Selbstverständnis über nachhaltiges Wirtschaften:
… Eine weltweit einheitliche Umweltpolitik bildet die Grundlage unseres erfolgreichen Umweltmanagements …
… Unsere Mitarbeiter verpflichten sich zur Einhaltung der Umweltgesetze und intern festgelegter Standards …“
Was heißt das im Klartext? Das Unternehmen verpflichtet sich zur Einhaltung der Umweltgesetze. Punkt! Nicht mehr, nicht weniger. Na, wenn das mal nicht nachhaltig ist. Ich sehe schon die Schlagzeilen: Auch die deutschen Waffenschmieden und Chemiegasfabriken verpflichten sich ab sofort zum nachhaltigen Wirtschaften. Hurra!
Nein, so geht es nicht. Nachhaltiges Wirtschaften und Nachhaltiges Führen ist viel mehr als sich nur an bestehende Gesetze zu halten.
Was bedeutet Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit bedeutet die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen ohne dabei zu riskieren, zukünftige Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können.
Auf die Menschheit bezogen heißt das: Wir müssen uns so verhalten, dass auch unsere Kinder und Enkel noch auf diesem Planeten vernünftig leben können. Die Bürger und die Politik müssen gesetzliche Rahmenbedingungen so festlegen, dass dies gewährleistet ist. – Die Unternehmen müssen sich an diese Regeln und Gesetze halten.
Aber:
Ein Unternehmen wirtschaftet noch lange nicht nachhaltig, nur weil es sich an alle Regeln und Gesetze hält!
Was bedeutet dann nachhaltige Unternehmensführung?
Abgeleitet aus der obigen Definition von Nachhaltigkeit könnte man es so formulieren:
„Ein Unternehmen wirtschaftet dann nachhaltig, wenn es seine eigene Zukunft nicht den kurzfristigen Bedürfnissen der Gegenwart opfert.“
Vielleicht denken Sie jetzt: „Ja und wo bleibt da die soziale und ökologische Verantwortung?“ Gemach. Die berücksichtigen wir noch später.
Kurzfristige vs langfristige Orientierung
Betrachten wir erst mal, was die obige Definition für ein Unternehmen bedeutet. Nach dieser Definition wirtschaftet ein Vorstandsvorsitzender nicht nachhaltig, wenn er nur aufs nächste Quartalsergebnis fixiert. Denn wahrscheinlich opfert er damit teilweise die zukünftige Entwicklung des Unternehmens.
Nachhaltig wirtschaften würde er, wenn er nur soweit auf die Quartalsergebnisse fokussiert, wie es für das Überleben des Unternehmens nötig ist.
Verhalten sich CEO’s von Aktienunternehmen nachhaltig?
Eher nein. Entscheidend ist schließlich die Sicht der Investoren. Erwarten die Aktionäre einen hohen EBIT beim nächsten Quartal, weil sie ihre Anteile verkaufen wollen, wird sich der CEO auf das höchstmögliche Quartalsergebnis fokussieren – und nicht auf die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens. Er will schließlich seinen Job behalten.
Als abhängig Beschäftigter stellt er sein eigenes Wohlergehen über das des Unternehmens. Nachhaltiges wirtschaften? Fehlanzeige!
Wie sieht es in einem inhabergeführten Unternehmen aus?
Verhalten sich Unternehmer nachhaltig? Das kommt drauf an. Entscheidend ist die Vision des Unternehmers. Was will er erreichen? Welchen Zweck verfolgt er mit seinem Unternehmen?
Wenn seine Hauptmotivation ist, Geld mit dem Unternehmen zu verdienen, wird er es schwer haben, nachhaltig zu wirtschaften. Ihm wird es immer wieder ums Geld gehen.
Vielleicht wird er seine Mitarbeiter vernünftig behandeln, vielleicht wird er sich auch um die Kundenbedürfnisse kümmern und sich, wenn’s gut läuft, sozial engagieren. Aber wenn Probleme auftreten ist der Fokus klar:
„Ich will Geld verdienen.“
Diesem Zweck wird alles andere untergeordnet.
Unternehmer mit Visionen
Hat der Unternehmer hingegen eine wirkliche Vision, verfolgt er die Umsetzung eines Traums mit seinem Unternehmen, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er nachhaltig wirtschaftet.
Er verfolgt schließlich ein langfristiges Ziel, das über ihn und seine Ego-Befriedigung hinaus geht. Um wirklich nachhaltig zu wirtschaften braucht es diese Einstellung:
„Ich will mit meiner Tätigkeit und meinem Unternehmen etwas Positives für die Welt bewegen.“
Übrigens bedeutet, dass nicht, dass dieser Unternehmer kein gutes Geld verdienen darf. Ganz im Gegenteil. Um den Zweck seines Unternehmens zu erreichen, nämlich etwas Positives für die Welt zu bewegen, darf und muss er so viel Geld verdienen, dass er zufrieden und ausgeglichen ist.
Nur so kann er an dem Zweck arbeiten. Und wenn es für ihn dazu wichtig ist, in einem schönen Haus zu wohnen und einen Porsche zu fahren, dann ist das ok. Dieser Luxus ist dann Mittel zum Zweck.
Pseudo Unternehmensvisionen
Sicherlich kennen Sie auch solche Pseudo-Unternehmensvisionen:
„Wir wollen 20 % Marktanteil!“
„Wir wollen überdurchschnittlich wachsen bei 15 % EBIT Marge“
Für den Aktionär oder den Unternehmer mag das ja wichtig sein. Für Kunden, Mitarbeiter und den Rest der Welt haben diese Aussagen keine emotionale Bedeutung. Sie sind nur langweilig.
Wer findet es schon inspirierend, jemanden dabei zu helfen, einfach nur Geld zu scheffeln. Warum sollte ein Mitarbeiter sich dafür mit Herzblut engagieren?
Was sind richtige Visionen?
Erfolgreiche Unternehmer wie Richard Branson (Virgin Group), Steve Jobs (Apple) oder Götz Werner (DM Markt) leben für richtige Visionen. Dabei geht es nicht vorrangig ums Geld verdienen.
Diese Unternehmer verfolgen andere, über sie selbst als Person hinaus gehende Ziele und Visionen. Häufig sind es Visionen, die einen Mehrwert in sozialer oder ökologischer Form für den Rest der Menschheit bieten.
Die revolutionäre Gründungsvision von Microsoft im Jahre 1975:
„Ein Computer auf jedem Schreibtisch und in jedem Zuhause.“
sprach wahrscheinlich nur einen kleinen Teil der damaligen Menschen an. Aber die waren davon begeistert. Sie waren intrinsisch motiviert, an dieser für sie als sozial wahrgenommenen Vision mitzuwirken.
Oder denken Sie an einen Unternehmer, der sich mit Haut und Haaren der Vision verpflichtet fühlt, einen Impfstoff gegen Krebs zu entwickeln. Der wird sicherlich Mitarbeiter für sich gewinnen können, die ihn bei seinem Weg mit ganzem Herzen unterstützen werden.
Verschreibt sich beispielsweise ein Unternehmer einer bedeutenden, weltverbessernden Sache, dann begeistert er andere Menschen. Empfinden die, dass die Vision wichtig und nützlich ist, werden sie ihn unterstützen wollen – ob als Mitarbeiter, als Kunde oder Lieferant.
Nachhaltige Führung
Ich glaube, dass es einem Unternehmer dann am leichtesten fällt, nachhaltig zu führen, wenn er eine solche richtige Vision hat, sie lebt und sein Unternehmen an dieser Vision konsequent ausrichtet.
Dann besteht eine hohe Chance, dass er auch in kritischen Situationen Entscheidungen fällt, die an Nachhaltigkeit orientiert sind. Schließlich geht es ihm darum, mit dem Unternehmen seinen Traum langfristig zu verwirklichen.
Eine angestellte Führungskraft, ob Abteilungsleiter oder Vorstandsvorsitzender, hat es viel schwerer konsequent nachhaltig zu führen und nachhaltig zu wirtschaften. Wenn es hart auf hart kommt und die Investoren Druck machen, dann bleibt auch die schönste, nachhaltig orientierte Vision schnell auf der Strecke.Das Sagen haben dann die Investoren – und deren „Visionen“ sind meist monetär und nicht nachhaltig.
- Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade „Nachhaltigkeit in der Führung“ auf dem Leistungsträger Blog von Gudrun Happich.
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