fpg218 – Selbstorganisation in Unternehmen – Gespräch mit Lars Vollmer und Mark Poppenborg
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Heute unterhalte ich mich mit Lars Vollmer und Mark Poppenborg über Selbstorganisation in Unternehmen und über die Probleme von Organisationen in dynamischen Märkten.
Lars Vollmer und Mark Poppenborg
Lars Vollmer hatte ich schon mehrfach hier bei mir im Podcast. Mit ihm habe ich mich schon darüber unterhalten, warum Führungskräfte in komplexen Situationen häufig versagen (Folge 45) und wie es sein kann, dass Mitarbeiter und ihre Chefs in den meisten Unternehmen mehr als die Hälfte ihrer Zeit mit Tätigkeiten verbringen, die zwar wie Arbeit aussehen, aber keine Arbeit sind (Folge 140).
Lars hat mit seinem Kollegen Mark Poppenborg den ThinkTank intrinsify gegründet.
Intrinsify: Gute Ideen für Arbeit und Dich
Intrinsify ist ein Netzwerk für die neue Arbeitswelt und für die moderne Unternehmensführung. Ziel ist es, Unternehmen fit für die Zukunft zu machen und den Weg zu selbstverwirklichender Arbeit zu finden.
Die beiden sind überzeugt, dass früher die intrinsische Motivation von Menschen nicht so wichtig war. Heute ist sie aber unverzichtbar geworden. Denn heute kommt es für eine erfolgreiche Wirtschaft und individuelle Zufriedenheit auf die Ideen und die Verantwortungsübernahme jedes Einzelnen an.
Lars und Mark sehen aber in der heutigen Wirtschaft, das dort immer noch ein unglaubliches Durcheinander herrscht. Es gibt eine große Orientierungslosigkeit bezüglich der nötigen Veränderungen im 21. Jahrhundert.
Selbstorganisation in Unternehmen
Die möglichen Chancen in der Neuen Wirtschaft und vor allem der wichtigen Ansätze moderner Unternehmensführung werden häufig nicht erkannt. Das wollen sei verändern.
Was mir sehr gut an den beiden gefällt ist, dass sie dabei keine Ideologen sind. Sie gehen davon aus, dass Ideologien Gräben vertiefen, blinde Gefolgschaft schaffen und Vielfalt negieren.
Sie selbst verstehen sich deshalb eher als Aufklärer. Sie sind überzeugt, Aufklärung erzeugt Eigenverantwortung, fördert Vielfalt und eröffnet Möglichkeiten und Selbstorganisation in Unternehmen.
Freuen Sie sich mit mir auf ein spannendes Gespräch mit Lars Vollmer und Mark Poppenborg über Selbstorganisation in Unternehmen.
Wir sprechen über Fragen wie: Wozu braucht es heute noch Leader? Was ist die Aufgabe von Führung in selbstorganisierten Teams? Wann sollte mit Regeln und wann mit Prinzipien gearbeitet werden?
Podcast für die neue Wirtschaft
Ich empfehle Ihnen unbedingt, in den intrinsify Podcast reinzuhören:
Weiterführende Links
- ThinkTank: Intrinsify
- Podcast für die neue Wirtschaft
- Webseite Lars Vollmer
- Webseite Mark Poppenborg
- Lars Vollmers Buch:
„Wie sich Menschen organisieren, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen.“
Das inspirierende Zitat
„Wir haben Jahrzehnte damit zugebracht, zu ordnen und verordnen, organisieren und reorganisieren, regeln und reglementieren. Was wundert es, dass wir uns jetzt eingeengt fühlen.“
Paul Schibler
Das transkribierte Gespräch über Selbstorganisation in Unternehmen
Geropp:
Ich sitze heute mit Lars Vollmer und Mark Poppenborg. Und was mich interessiert bei euch beiden ist, was genau ist eigentlich ein Think Tank und wie verbindet ihr das mit Intrinsify.me? Ich habe gehört, Intrinsify.me ist ein Think Tank, deswegen meine Frage an euch.
Poppenborg:
Wir sagen immer Netzwerk und Think Tank zu uns. Und die Frage von dir kommt ja auch mit einem kleinen Lächeln bezüglich des Think Tanks. Ich glaube, da gibt es wahrscheinlich so viele Antworten, wie es Buchstaben in dem Wort Think Tank gibt.
Geropp:
Okay.
Poppenborg:
Für mich ist das eine Möglichkeit über Themen, die im Moment heiß diskutiert werden, intelligent nachzudenken und dann Ergebnisse zu produzieren, die der Außenwelt was bringen. Das ist aus meiner Sicht die Aufgabe, die ein Think Tank erfüllt. Und die gibt es ja im politischen Bereich und die gibt es im wirtschaftlichen Bereich und wir verstehen es eben als unsere Aufgabe ein Orientierungsgeber zu sein, der in diesen turbulenten Zeiten, in denen die Wirtschaft sich schnell verändert und in denen sowohl Individuen, als auch Organisationen vor der Frage stehen, wie gehen wir eigentlich um mit dieser neuen Welt, die durchaus anders geprägt ist als die alte Welt, die das 20. Jahrhundert geprägt hat. Da sucht man nach Orientierung und nach Companden und ein solcher wollen wir sein. Also wir wollen die Leute in die Lage versetzen besser über ihre Probleme nachdenken zu können, die sie im Alltag haben, damit sie auf bessere Ideen kommen und dazu sind wir auch ein Netzwerk, damit man eben möglichst viele andere Menschen kennen lernt, die ähnliche Probleme teilen.
Geropp:
Die also auch auf dem Weg sind zu sagen, Mensch, irgendwie dieses alte Teleristische funktioniert in manchen Sachen bei uns einfach nicht mehr. Darum geht es?
Poppenborg:
Genau. Ja. Ob es jetzt der tägliche Kampf mit der Frage ist, wie führe ich meine Mitarbeiter oder die grundlegendere Frage, wie baue ich eigentlich mein Unternehmen oder die sehr individuelle Frage, wie finde ich einen Job, der zu mir passt, all das ist irgendwie beeinflusst von diesen sich im Moment verändernden Einflüssen oder Rahmenbedingungen und für all das wollen wir ein Orientierungsgeber und ein Ausrüster sein.
Geropp:
Lars, jetzt habt ihr eine Organisation aufgebaut, die aber als Unternehmen ist. Also es ist ein Netzwerk, aber es ist auch ein richtiges Unternehmen. Was genau macht da Intrinsify aus? Wie positioniert ihr das?
Vollmer:
Na, wir unterscheiden das schon sehr klar. Also wir sind einerseits dieses Netzwerk Think Tank, wo es so viele Meinungen gibt, wie es Mitglieder gibt. Wo wir auch ganz gezielt Mitgliederleistungen aufbauen wollen, um es attraktiv zu haben bei uns Mitglied zu sein. Wo jeder was lernen darf, wo jeder was reingeben darf. Ja, wo es eben im besten Sinne ein Lernen in der Community ist. Und die andere Facette, wenn man so will, von Intrinsify.me ist die einer kommerziellen Gesellschaft, die zum einen eben dieses Netzwerk betreibt, zum anderen versucht das gewonnene Wissen, könnte man sagen, auch an die Öffentlichkeit weiterzugeben in Form von Vorträgen, Seminaren, Publikationen, Veranstaltungen. Vor allen Dingen sehr, sehr viele Veranstaltungen. Und so vereinen wir, glaube ich beide Welten ganz gut miteinander.
Geropp:
Okay. Was genau versteht ihr unter New Work in diesem Zusammenhang dann für Intrinsify?
Poppenborg:
Ja, das ist insofern für mich eine sehr interessante Frage, weil das Verständnis, das ich von New Work habe, glaube ich, nicht zusammen fällt mit dem Verständnis, das gesellschaftlich entstanden ist. Also ich finde, New Work ist die Beschreibung eines Phänomens, ein Klammerbegriff, in den man vieles reinpacken kann, was gerade sich in Veränderung befindet. Und darin fällt einmal sicherlich und vorrangig die Beschreibung dieses humanen Potenzials, das in der Wirtschaft steckt gerade. Also wir waren im 20. Jahrhundert, um es etwas zu vereinfachen, ja im Wesentlichen der verlängerte Arm der Maschine Unternehmen. Also wir sind in den Betrieb gegangen und haben Prozesse befriedigt, die schon längst vorgedacht worden sind und Anweisungen befolgt. Und jetzt hat die Wirtschaft sich weiter entwickelt und Unternehmen müssen viel mehr Überraschungen aushalten, als sie es früher mussten, weil die Märkte satter sind, weil die Märkte dynamischer geworden sind, weil es zu immer mehr und vor allen Dingen immer kürzer zyklischen Innovationen kommt. Und das führt dazu, dass man jetzt plötzlich wieder darauf angewiesen ist, was die Mitarbeiter für Ideen haben. Die müssen plötzlich selber wieder Probleme lösen. Die müssen nicht nur Prozesse befolgen. Also Dienst nach Vorschrift ist inzwischen eine Beleidung. Früher war es ein Kompliment. Und weil das so ist, muss man den Mitarbeitern den Rahmen geben, damit sie diese eigene Kreativität einbringen können, damit sie selber auf Ideen kommen können. Und das befriedigt natürlich ein Grundbedürfnis des Menschen, nämlich das nach Selbstverwirklichung. Also plötzlich kann ich bei meiner Arbeit Dinge tun, die darauf einzahlen, was ich gerne tue. Und das war ja früher für die Freizeit reserviert. Und das ist ein humanes Potenzial, das die Wirtschaft jetzt gerade zur Verfügung stellt, das, glaube ich, in diesen Klammerbegriff New Work verortbar ist.
Geropp:
Siehst du das so, dass es immer mehr in diese Richtung gehen wird aufgrund von Automatisierung, aufgrund von das einfache Arbeiten, also das, was man früher mit der teleristischen Sache gemacht hat, eigentlich immer mehr automatisiert wird? Werden wir es sehen? Sind wir in so einer Übergangszeit, dass wir in zehn Jahren quasi gar keine teleristisch orientierte Arbeit mehr haben oder was glaubst du, wo es hingeht?
Poppenborg:
Also das taileristische Prinzip würde es immer noch geben, weil man ja immer noch die, was ich immer gerne Wertschöpfung der Norm nenne, betreiben muss. Also man muss immer noch Massenware auf effiziente Art und Weise produzieren. Und dafür braucht es gute Steuerung, gute Prozesse, gute Regeln. Nur werden die wahrscheinlich immer mehr von Maschinen exekutiert und nicht mehr von Menschen. Und Menschen braucht man immer mehr für die Wertschöpfung der Ausnahme, also für das Kreative. Und ich kann jetzt auch nicht in die Glaskugel gucken, aber ich glaube schon, dass sich das nach und nach ablösen wird. Und gleichzeitig gibt es natürlich auch weniger erfreuliche, also für den Menschen weniger erfreuliche Phänomen, wie, da gibt es auch einen Begriff für, den habe ich jetzt gerade vergessen, was Uba macht und was Deliveroux macht, wie eine Plattform, ja diese Plattform Wirtschaft, in der quasi jeder Freiberufler ist.
Geropp:
Ach so, und dann der Preis gedrückt wird.
Poppenborg:
Der Preis gedrückt wird und man eigentlich nur noch zum, da gibt es irgendeinen Fachbegriff für. Der ist mir gerade entfallen. Das ist natürlich jetzt weniger humanes Potenzial, was da in der Wirtschaft steckt, aber grundsätzlich würde ich der These zustimmen, dass es in diese Richtung geht und das ist ja erst mal erfreulich. Aber gleichzeitig ist New Work auch missverstanden, und das ist der Teil, den ich kritisiere, missverstanden worden. Also man hat quasi aus einem Phänomen eine Forderung gemacht. Das Phänomen ist, es gibt mehr Selbstverwirklichungspotzenzial in unserer Wirtschaft als Folge der veränderten Bedingungen. Daraus ist eine Forderung geworden. Wir müssen die Wirtschaft humaner machen. Und das führt zu seltsamen Phänomen. Das führt zu Bespaßungsprogrammen in Organisation, das führt dazu, dass super organisierte Firmen Höchstleistungsunternehmen, die wir kennen gelernt haben, plötzlich irgendwelche partizipativen Entscheidungsverfahren einführen und damit kurzfristig das Gefühl einer Wohlfühl-Oase erzeugen, wo die Mitarbeiter sich irgendwie ausleben können und jetzt irgendwie mitreden können. Aber erst später merkt man, wir konnten ja vorher schon mitreden. Vorher war eigentlich alles schneller. Vorher konnte man sich auf die verlassen, die zu dem Thema eine gute Antwort haben. Und jetzt ist aus diesem sehr selbstorganisierten Etwas eine Diktatur der Masse geworden und wir haben eigentlich mehr Probleme als vorher. Und wir haben schon das eine oder andere Höchstleistungsunternehmen gesehen, das mit New Work, in Anführungsstrichen, zugrunde gegangen ist. Und da lauert auch eine riesige Gefahr.
Geropp:
Also wenn ich dich richtig verstehe, geht es dir dabei darum, dass du sagst, New Work ist entscheidend, es muss passen zu der Organisation, es muss zum Markt passen. Es muss so sein, dass ich bestimmte selbst organisierende Sachen dann brauche, wenn der Markt es fordert und sonst nicht? Oder wie würdest du es formulieren?
Poppenborg:
Genau. Und ich würde auch immer sagen, dass New Work gar nichts ist in dem Sinne, was man einführen könnte. Also New Work ist kein Programm, das man einführen kann. New Work ist keine Organisationsform, sondern New Work ist erst mal nur ein gesellschaftliches Phänomen mit verschiedenen Facetten. Einmal auf dieser eben beschriebenen Arbeitsebene des Einzelnen. Und auf der anderen Seite kann man sicherlich auch unter New Work die veränderten Führungsideen verorten, aber New Work kann man nicht machen. New Work kann man nicht kaufen, sondern es ist, aus meiner Sicht, die Beschreibung, so wie Digitalisierung, die Beschreibung eines Phänomens und trotzdem stimmt das, was du sagst. Jede Organisation ist gut beraten, sich zu fragen, was braucht mein Markt und welche Organisation brauche ich, um diesen Markt bedienen zu können? Und wenn man das gut hinkriegt und damit eine erfolgreiche Organisation zur Verfügung stellt und damit dann auch wirtschaftlich erfolgreich ist, dann fühlt es sich auch toll an darin zu arbeiten in der Organisation. Da hat man eine gute Kultur.
Geropp:
Selbst wenn es rein tailleristisch ist, es findet die richtigen Leute, die dann sagen, „ja, das ist aber schön hier so zu arbeiten nach Regeln, weil mir gefällt das so.“
Poppenborg:
Das ist meine Überzeugung, ja? Also ich habe Startups erlebt, die so unkoordiniert chaotisch gearbeitet haben, dass die Mitarbeiter gesagt haben, „können wir nicht endlich mal ein paar Prozesse haben, dass wir das Rad nicht jedes Mal neu erfinden.“ Also Frust entsteht nicht, wenn man nicht nach irgendwelchen New Work Idealen arbeiten kann, sondern Frust entsteht aus meiner Sicht immer dann, wenn man da, wo es eigentlich Prozesse bräuchte, keine hat. Oder da, wo es eigentlich weniger Prozesse, weniger Regeln, weniger Bürokratie bräuchte, ganz viel davon hat.
Geropp:
Ja, kann ich nachvollziehen. Lars, du hast ein Buch geschrieben, wie sich Menschen organisieren, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen. Was braucht es denn für Selbstorganisation in Unternehmen?
Vollmer:
Gar nicht viel, würde ich vermuten. Mir ist da neulich eine Geschichte passiert, ich habe ja mal promoviert und wir treffen uns seitdem jährlich mit unserem Institut, so eine Art Alumni-Feier. Und mein alter Doktor-Vater, Professor Dr. Ing. H. EH. irgendwas Hans-Peter (Wiehler?), der nun schon vor 15 Jahren eremittiert hat, der war da noch mal. Und der stellte sich auf die Bühnen, unglaublich ergreifender Moment, ziemlich krank von Schlaganfällen gebeutelt und sagte, „It’s time to say goodbye“, und es wäre seine letzte Veranstaltung. Er wollte sich von uns allen verabschieden. Das war bewegend. Aber später dröselte sein Nachfolger noch mal auf, so ihm zu Ehren, dass er eine Institutsorganisation damals, das war 78, aufgebaut hat, bei der bis heute noch alle seine großen Professoren-Kollegen sagen, so kann man ein Institut nicht führen. Und dieses Institut, wo ich dreieinhalb Jahre arbeiten durfte, gehört in dem Fachgebiet immerhin zu den renommiertesten der ganzen Welt. Und ich bin da reingekommen ins Institut und es fühlte sich alles ganz normal an. Alles ganz organisch, ganz vernünftig. Und es war, wie ich heute beschreiben würde, eine ganz klassische, selbstorganisierte Organisation. Es gibt den Institutsleiter, der auch juristisch natürlich eine Funktion hat und der natürlich auch so eine Art Meister in vielen inhaltlichen Dingen darstellt, aber wir waren in Gruppen organisiert, in Mannschaften, wie ich in dem Buch sage, die vor allen Dingen ihren Blick nach außen hatten. Also was müssen wir jetzt, an welchen Themen müssen wir jetzt forschen, um unsere Reputation zu erhöhen? Wo sind wirklich blinde Flecken in der Wissenswelt? Wie müssen wir eigentlich Lehre machen, dass Studenten zufrieden sind und überhaupt kommen? Was müssen wir überhaupt für Angebote machen, dass wir Drittmittel bei Industrie-Unternehmen einwerben? Und der Professor war dann quasi diese kleine, interne Referenz, die wir gut gebrauchen konnten, um besser zu werden als Sparringspartner und der am Schluss unsere Dissertation abgenommen hat.
Geropp:
Aber der hat euch sehr viele Freiräume gelassen?
Vollmer:
Ja, genau. Er hat halt eine Organisation aufgebaut, die klassisch selbst organisiert ist. Und von den Menschen, die da drin arbeiten, braucht es ja gar nichts, denn Selbstorganisation ist, so würde ich es beschreiben, die normalste Organisationsform, die wir Menschen kennen. Oder anders ausgedrückt, das Teleristische, was du vorhin auch schon angesprochen hast, ist nur eine Sonderform der Selbstorganisation, die in manchen Fällen auch noch erfolgreich ist, in den aller meisten nicht.
Geropp:
Moment, eine Sonderform der Selbstorganisation?
Vollmer:
Eine Sonderform der Selbstorganisation. Ja. Genau.
Geropp:
Die sind ja nicht selbst organisiert.
Vollmer:
Naja, in gewisser Hinsicht ja schon, weil ja in keiner noch so teleristischen Organisation im Jahre 2018 der Chef alles sagt, was der Mitarbeiter tun soll und der quasi roboterhaft einfach nur an seinem Schreibtisch sitzt und nur noch den Handgriff ausführt, den der Chef ihm sagt. Der denkt ja mit. So. Auch der tut ganz viele Sachen. Er tut auch ganz viele Sachen unterm Radar, wo er spürt, das ist jetzt das Richtige, um zum Beispiel ein Problem zu lösen, auch wenn das mein Chef nicht so gerne sieht, ich tue es halt trotzdem. Und Selbstorganisation verlangt nichts Besonderes. Das können die Menschen.
Geropp:
Es ist die Frage, wollen sie es?
Vollmer:
Ja, der eine ja, der andere nein. Aber erst mal kommen wir so auf die Welt, könnte man sagen. Und wir kommen so in dem Betriebszustand auf die Welt. Und wir lernen das alles. Das ist ein ganz normales soziales Verhalten, ein ganz normales soziales Phänomen die Selbstorganisation, in der übrigens Führung ständig stattfindet, nur eben nicht durch Führungskräfte und die man sich durchaus abtrainieren kann und wo es sicherlich den einen oder anderen gibt, der das anstrengend findet. Und trotzdem, auch wenn er es anstrengend findet, kann er es und tut er es auch.
Geropp:
Also wenn ich dich richtig verstehe, es muss keine disziplinarische geben. Es bieten sich Leute an quasi durch nomadische Führung. Das ist aber dann auch eine Führung, weil die Leute denjenigen akzeptieren in dem Moment?
Vollmer:
Ich schlage einen anderen Blick vor.
Geropp:
Okay.
Vollmer:
Wir haben uns über vielleicht hunderte von Jahren sind wir immer davon ausgegangen, dass Führung etwas ist, was einer tut. Wir sehen das inzwischen anders. Führung ist auch ein Phänomen, was man beobachten kann. Was auf alle Fälle immer jemanden braucht, der irgendeine Idee in ein soziales System hinein gibt und andere, die dieser Idee folgen. Man ist also gut beraten aus unserer Sicht, Führung als das zu bezeichnen, was zwischen Menschen stattfindet. Was weder der eine macht, noch der andere tut. Was man beobachten kann, wenn es fertig ist sozusagen. Wenn es vonstattengegangen ist, kann man Führung beobachten, aber man kann daraus nicht ableiten, dass dieses Phänomen einen Autor hat. Also die Führungskraft, die dafür gesorgt hat. Die ganze Industrialisierung geht von diesem, wie ich heute sagen würde, Denkfehler aus, dass Führung als Aufgabe, als Phänomen institutionalisiert werden müsste durch eine Führungskraft und glaubten, dass nur dann Führung zustande kommt, wenn es die Führungskraft gibt. Wir würden heute eher behaupten, es findet Führung trotz Führungskräfte und nicht wegen Führungskräfte statt. Und ein Mensch kann nicht führen wollen. Er kann Impulse dafür geben, dass vielleicht Führung stattfinden kann, aber er kann es nicht bestimmen. Er ist nicht der Autor der Führung. Das klärt das soziale System.
Geropp:
Also wenn ich dich richtig verstehe, sagst du, Führen ist kein aktiver Part, sondern das Folgen ist der aktive Part. Eine Führungskraft, die niemanden hat, die ihm folgt, führt nicht?
Vollmer:
Genau. Und darin erkennen wir auch und dieses ganz aktive Folgen passiert ja auch meistens nicht so. Es ist ja nicht so, dass man sagt, „ach heute möchte ich mich mal vom Bert führen lassen.“ Das passiert ja nicht, sondern man findet sich plötzlich in einer Situation wieder, wenn ein echtes Problem gelöst werden muss, wo man etwas tut, was im Ursprung vielleicht einer Idee von Bernd folgt. So. Und dann merkt man, ach guck mal, gerade hat eigentlich Bernd geführt, wenn ich ehrlich sein will. Also nicht, dass ich das unbedingt wollte. Das heißt, sowohl von dem Führung ausgeht, als auch von den Gefolgschaft ausgeht, tun das nicht mit dem festen Willen und dem Vorsatz. Und trotzdem passiert es. Das ist übrigens wie ein Streit. Ein Streit unter einem Ehepaar oder in einer sozialen Gruppe. Den will ja auch keiner und trotzdem passiert er. So. Der Streit ist eher negativ konnotiert in unserer Gesellschaft. Führung ist positiv konnotiert, aber beides ist letztlich das Gleiche, ein soziales Phänomen, was passiert, egal ob man es will oder nicht. Es passiert trotzdem. Und wenn wir so denken, dann wird klar, dass Selbstorganisation immer ist, selbst wenn eine Führungskraft da ist, die erschwert das vielleicht diesen Mechanismus oder macht diesen Mechanismus, genau, stört diesen Mechanismus, aber er ist trotzdem immer noch da.
Geropp:
Was ist denn dann die Rolle einer Führungskraft oder was ist die Funktion und Rolle einer Führungskraft?
Vollmer:
Naja, wenn man eine Führungskraft einsetzt, dann ist man in den meisten Fällen ja schon diesem Denkfehler erlegen, dass man glaubt, es bräuchte diese Führungskraft, damit überhaupt Führung stattfindet. Wenn wir jetzt wieder unterteilen in diese Wertschöpfung der Norm, wie sie Mark bezeichnet hat, dann braucht es schon etwas, das ist aber eher Steuerung, also das zur Verfügung stellen von Wissen. Ich weiß, wie ein Vorgang durchgeführt werden kann. Du hast den noch nicht durchgeführt. Ich sage ihm, „mach Schritt 1 bis 17. Tu das gefälligst. Sei diszipliniert. Hier hast du eine Checkliste. Hier hast du ein Prozessblatt.“
Geropp:
Also du unterscheidest hier Führung und managen, so würde ich sagen. Das Managen ist dann das Steuern und es braucht schon Steuerung dann, wenn ich euch richtig verstehe?
Vollmer:
Da wo es Führung der, wo es wertschöpfende Norm ist, braucht es Ziel und Steuerung. Genau. Unbedingt.
Geropp:
Also da braucht es Management, aber das bezeichnest du nicht in irgendeiner Weise als Führung? Wie unterscheidest du da dann Steuerung und Führung?
Poppenborg:
Man muss natürlich aufpassen, dass man die Begriffe ähnlich nutzt. Also man könnte auch wegen mir weiterhin Führungskraft zu einer Steuerungskraft oder einem Manager sagen, so lange eindeutig ist und darauf wollen wir hinaus, dass eine Steuerungs-/Führungs-/Managerkraft eben nur dafür verantwortlich sein kann die Wertschöpfung der Norm zu betreiben. Also dafür zu sorgen, dass die Prozesse nach Vereinbarungen laufen. Dass er kontrolliert. Dass er korrigiert. Dass er Verbesserungspotenziale umsetzt, aber die Führung, wie sie Lars gerade beschrieben hat, also man könnte auch sagen die sozial legitimierte Führung, die natürliche Führung, die entsteht, die kann per Definition nicht von einer Führungskraft erbracht werden. Höchstens mal zufällig. Aber dann muss man immer mitdenken, dass diese Führungskraft ja noch formale Macht hat. Also man muss immer mitdenken, dass der Mitarbeiter einen nett gemeinten Rat seines Kollegen ablehnen kann ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, und das ist ja Führung. Also der Kollege sagt ihm irgendwas, weil er gefragt wird, weil der andere ihm Ansehen spendiert. Aber wenn die Führungskraft einen auch nett gemeinten Rat aussprechen möchte, dann bleibt dem Mitarbeiter nichts anderes übrig, als zumindest unterbewusst mitdenken zu müssen, das ist ja mein Chef und der trifft ja meine Gehaltsentscheidungen und den Dienstwagen und Beurteilungsgespräche. Und so weiter und so fort. Also das heißt, man kann die formale Macht nicht künstlich weg kommunizieren. Die ist immer mit im Raum. Und das macht einen Unterschied.
Geropp:
Was passiert denn mit Entscheidungen? Ich meine, wenn ich sage, ich brauche keine Führungskräfte mehr und ich bin in einem Raum, der nicht, wie sagst du, also nicht im Teleristischen, wo ich keine Steuerung brauche, sondern wo es (unv.) #00:23:29-8#
Poppenborg:
Wo es keine normale Macht gibt. Also in Abwesenheit von meiner Macht.
Geropp:
Wie funktionieren dann Entscheidungen?
Poppenborg:
Ich würde sagen, so wie, Lars hat es gesagt, wie der Betriebszustand von uns Menschen ist, uns auch angedient hat. Wir sind in der Lage auf komplexe Situationen, auf unglaublich intelligente Art und Weise zu reagieren als Menschen in sozialen Systemen, indem wir blitzschnell natürliche Hierarchien bilden. Und man vereinbart sich sozusagen nonverbal auf eine Person, die jetzt Ansehen genießt von den anderen.
Geropp:
Das verstehe ich in einer kleinen Gruppe mit fünf, sechs Leuten.
Poppenborg:
Das kennst du in Gruppen vom Schulhof sogar schon.
Geropp:
Wie machst du das denn mit Tausend?
Poppenborg:
Deswegen kann man diese Phänomene von sozial legitimierter Führung und die Vorteile davon nicht getrennt denken, ohne die passende Organisation. Also wenn ich dafür sorgen möchte, dass man das meiste rausholen kann aus diesen Phänomenen der sozial legitimierten Führung, dann muss ich kleinere Teams haben. Die müssen soziale Dichte haben. Die müssen einen Bezug zur Wortschöpfung haben. Das heißt, die Referenz für ihre Arbeit muss außerhalb des Unternehmens liegen. Nicht innerhalb des Unternehmens. Die müssen wahrscheinlich auch funktional integriert sein, damit sie also die verschiedenen Kompetenzen, die zur Erbringung der Wertschöpfung nötig sind, alle an Bord haben. Und genau das ist ja jetzt auch keine blanke Theorie, sondern genau das beobachtet man ja bei Unternehmen, wie W. Agore oder DM oder viele der anderen viel zitierten Höchstleistungsorganisationen, die es schaffen, die Organisation, um es etwas salopper zu formulieren, Unternehmen in Unternehmen zu zerlegen.
Geropp:
Das bedeutet eine starke Dezentralisierung, kleinere Einheiten, aber es ist immer noch ein Kopf da drüber, der auch vielleicht die Unternehmensausrichtung, die Unternehmensvision oder ähnliches macht.
Poppenborg:
Ja. Klar.
Geropp:
Wer ist zuständig für große Strategie, die Unternehmens-Vision aus eurer Sicht?
Vollmer:
Naja, es gibt ja kein Wissen über die richtige Vision, über die richtige Strategie. Wo das Unternehmen quasi in diesem Dschungel der Wirtschaft, in dem sich jedes Unternehmen befindet, kann es nun ganz, ganz viele Wege einschlagen und welcher zu Milch und Honig führt, weiß man vorher halt nicht. So. Aber es gibt trotzdem Leute, die haben ein Gespür dafür. Die liegen auch daneben in manchen Fällen, aber häufiger als andere. Und das sind quasi die Visionäre. Deswegen würden wir eher sagen, ein Unternehmen braucht Visionäre und keine Visionen, das sind diejenigen, die diese Richtungen aussprechen können und versuchen quasi Gefolgschaft hinter dieser Idee zu gewinnen. Ob sich dann tatsächlich da hinterher das wirtschaftliche Glück verbirgt, das wird man erst dann sehen, wenn es so weit gekommen ist. Aber diese Verantwortung für diesen Weg, den sollten wir den Menschen übertragen, die dafür ein gutes Gefühl haben. Wir übergeben sie heute an Leute, die das juristisch dürfen. Das kann natürlich zusammenfallen mit Leuten, die auch dafür ein gutes Gespür haben. Das ist nicht zu bestreiten. Das ist auch häufig so. Aber es ist erstmal nicht gleich bedeutend. Also der gute Fußball-Trainer schießt auch nicht den Elf-Meter selber, den wichtigsten Schuss. Den lässt er schießen von dem, der es vermutlich am besten kann, so, egal welche juristische Funktion der so hat. Und ich denke wir sollten in Könnerschaft denken, also in Gespür für ganz bestimmte Situationen, für Entscheidungen unter nicht wissen, nichts anderes sind Entscheidungen, und nicht hinter formalen Strukturen, die diese Entscheidungen erlauben.
Poppenborg:
Das ist wahrscheinlich auch die große Stärke des Mittelstandes, also wo man inhabergeführte Unternehmen hat, bei denen ja typischerweise der Inhaber auch ein Visionär ist, sonst hätte er die Idee für das Unternehmen nicht gehabt.
Geropp:
Das ist aber gerade eine sehr spannende Geschichte. Nehmen wir mal so einen typischen Mittelständler. 400 Mitarbeiter und jetzt ist der Herr, der das gegründet hat oder die Dame, meistens ist es ja ein Herr, in die Jahre gekommen. Und der ist richtig stolz auf sein Unternehmen. Kann er auch sein. Der hat aber nicht mehr die Vision. Trotzdem würde niemand absprechen, dass er nach wie vor das Unternehmen leitet oder?
Vollmer:
Ja, naja, ob er das dann wirklich leitet, könnte man jetzt versuchen zu beobachten. Ob denn wirklich die Menschen in der Organisation seiner Idee folgen oder nur so tun, als wenn sie so.
Poppenborg:
Das sich schon verselbstständigt hat. Genau.
Vollmer:
Das nennen wir dann Business-Theater. Also man vollzieht dann quasi Kommunikationsakte, die alle, und sich selber übrigens auch, im Glauben lassen, wir tun das so, aber in Wirklichkeit, wenn der Meeting-Raum dann wieder zu ist, dann sagt, „Komm Dieter, lass und mal kurz jetzt hier die Kohlen aus dem Feuer holen. Wir kriegen das Projekt schon hin, selbst wenn wir es anders machen, als der Alte es will.“ Also zum einen könnte es sein, dass die Vision, dass das Folgen schon gespielt ist und zum anderen sterben so natürlich auch Mittelständler, wenn sich diese Vision, wo sich Milch und Honig verbergen eben nicht mehr stimmt so. Ganz einfach, also von außen betrachtet ist das ganz einfach.
Poppenborg:
Ich meine, ich würde nicht sagen, dass das quasi nicht im Mittelstand auch ein Problem sein kann, aber da fällt es typischerweise noch leichter, als in einer großen AG,
Geropp:
Großen Unternehmen.
Poppenborg:
wo man ja eher an die Spitze kommt, weil man irgendwelche MBA-Konformitätserwartungen befriedigt und besonders gute PowerPoint-Folien malen kann und sicherlich auch noch viele andere Stärken mitbringt, aber nicht eben unbedingt das unternehmerische Gespür für gute Visionen und gute Wetten.
Geropp:
Ich meine, im großen Unternehmen, was am Aktienmarkt ist, gibt es keinen Unternehmer mehr, streng genommen. Das ist das Problem.
Vollmer:
Und deswegen gibt es auch typischerweise keinen Visionär.
Geropp:
Ja. Weil, wenn der Visionen hat, bedeutet das ja, dass er sie langfristig auch umsetzen möchte. Jemand, der eine Vision langfristig umsetzt, wird auch Höhen und Tiefen haben. Das passt gar nicht zusammen mit den Quartalsergebnissen, was auch immer runtergeht.
Vollmer:
Übrigens, die Eingangsfrage für die Letzen zehn, fünfzehn Minuten von dir war ja, was braucht es für Selbstorganisation? Stelle mal in den nächsten Interviews die Frage andersrum. Was braucht es denn für teleristische Strukturen? Ich glaube, das ist viel ungewöhnlicher, viel unnatürlicher für uns Menschen. Und was ich da alles tun muss, wie ich mich da alles verbiegen muss, um in einer typischen, deutschsprachigen Bank zu arbeiten, da bin ich überhaupt gar nicht mehr der Mensch, der ich eigentlich sein wollte. Meine Kollegen neben mir auch, kommen auch mir alle so vor, wie Androiden. Also ich würde sagen, andersrum wird die Frage wertvoll.
Poppenborg:
Also das habe ich auch letztens in irgendeinem Interview erzählt. Der Anspruch an einen Mitarbeiter in einem großen, traditionell geführten Unternehmen, ist eigentlich viel größer, viel höher als in einem gut an den Markt angepassten, modern organisierten Unternehmen, denn er muss auf der einen Seite unterm Radar dafür sorgen, dass die Wertschöpfung weiterhin betrieben wird und in Gang bleibt, um den Kunden zu befriedigen und gleichzeitig muss er noch dieses Theater spielen, um auf der Vorderbühne die Erwartungen zu liefern und die Bürokratie zu bedienen. Und das erfordert echt Talent damit umgehen zu können.
Geropp:
Ja, ich kann das gut nachvollziehen, dass man gerade in der heutigen Zeit sagt, wir brauchen mehr Selbstverantwortung und wir brauchen mehr Selbstorganisation. Seht ihr nicht auch die Schwierigkeit, dass in vielen Unternehmen Mittelstand, wie auch in den großen Konzernen, die Leute so lange schon über Jahrzehnte quasi das denen aberzogen wurde, dass es verdammt schwer ist einen solchen Change überhaupt hinzukriegen in bestimmten Unternehmen?
Poppenborg:
Ich erzähle an dieser Stelle eigentlich immer die gleiche Geschichte und ich erlaube es mir jetzt wieder zu tun. Ich war vor inzwischen schon einigen vielen Jahren, fünf, sechs Jahren bei einem Unternehmen, bei dem der Geschäftsführer mit mir gemeinsam und seinem Team einige sehr substanzielle Veränderungen in der Organisationsstruktur vornehmen wollte, im Prinzip auf Basis dessen, was wir hier schon diskutiert haben und mit der Wette, dass dann mehr Verantwortung übernommen wird und dass das Unternehmen besser an den Markt angepasst ist. Und er kam immer wieder am Abend eines jeden Workshops mit der gleichen Sorge zu mir, „können wir das mit unseren Leuten überhaupt machen? Sind die noch in der Lage Verantwortung zu übernehmen?“ Und ich habe ihn irgendwann aus Mangel anderer Ideen darum gebeten, mal einen Zettel zu füllen mit all den Namen, von denen er davon überzeugt, dass sie in dieser neuen Struktur keine Verantwortung übernehmen können. Und dann hat er sich erst gefragt, wie er die alle auf einen Zettel packen soll. Aber dann habe ich gesagt, „jetzt schreib mal die auf, von denen du dir hundertprozentig sicher bist.“ Hat er die aufgeschrieben. Dann wir den Zettel gefaltet, in einen Umschlag gesteckt, in die Schublade. Und meine Wette, die ich mit mir selbst eingegangen bin, war, dass wir diesen Zettel nach einem Jahr wieder rausholen können und das keiner dieser Namen stimmen wird. Und Gott sei Dank ist genau das eingetreten. Sogar schon früher als ich gehofft hatte. Und was das für mich demonstriert, sind zwei Dinge. Erstens, man hat eigentlich immer die richtigen Mitarbeiter. Man muss den Kontext so bauen, dass diese Mitarbeiter ihre Stärken zeigen können, ihre Verantwortung ausleben können und ihre Ideen einbringen können und solange die Organisationsstruktur das nicht zulässt, optimieren sich in diesem Kontext. Das heißt, ich unterlaufe immer einem Beobachtungsfehler, wenn ich von oben auf meine Mitarbeiter draufschaue und glaube einschätzen zu können, ob sie es können oder nicht, weil ich sehe sie ja nur in dem Kontext, den ich selber gebaut habe. Das heißt, wenn ich in meinen Mitarbeitern Schwächen erkenne und wenn ich das Gefühl habe, die sind nicht richtig, dann muss ich eigentlich mir selber mangelnde Führungsfähigkeit attestieren, weil ich den richtigen Rahmen nicht gebaut habe und nicht meine Mitarbeiter zu beschuldigen.
Geropp:
Hör mal zu, du hast nach spätestens drei Jahren genau, die Mitarbeiter, die du verdienst.
Poppenborg:
Ja. Genau. Genauso würde ich es auch sagen. Und der zweite Grund/
Geropp:
Ganz kurz, ich habe etwas andere Erfahrungen gemacht. Deswegen finde ich das hoch spannend, Mark. Wenn du jetzt aber neu in einen Laden reinkommst und der wurde 20 Jahre extrem autoritär geführt, habe ich es schon erlebt, dass sich eine neue Führungskraft damit extrem schwer tut, wenn sie dann diese Freiheiten gibt, weil die Leute teilweise die Freiheiten gar nicht haben wollen.
Vollmer:
Man nimmt es ihr vielleicht nicht ab.
Geropp:
Man nimmt es nicht ab. Ja, da ist schon viel gekommen. Also die verschiedensten Sachen.
Vollmer:
Da hat eben keine Führung stattgefunden. Da wollte die Person gerne jetzt führen mit ganz neuen Ideen, aber man ist ihr halt nicht gefolgt. Man hat der Person das nicht abgenommen. Und da war noch viel Misstrauen.
Geropp:
Ja, das ist die eine Sache. Die andere Sache ist aber auch, dass man sagt, ich fand das gut bisher. Ich will die Verantwortung gar nicht haben. Und da sehe ich so ein bisschen manchmal auch die Schwierigkeit. Ist das bei euch auch?
Poppenborg:
Ich bin ja sonst ein großer Gegner der Infantilisierung von Mitarbeitern. An dieser Stelle würde ich fast so weit gehen zu sagen, dass man der Meinung der Mitarbeiter da nicht vertrauen darf. Das klingt jetzt erstmal ein bisschen paradox, aber was ich damit meine ist, wenn ein Mitarbeiter in einer Struktur, in der er 30 Jahre lang gearbeitet hat, gefragt wird, möchtest du Verantwortung übernehmen, dann wage ich zu behaupten, dass es ihm, so wie allen anderen auch schwerfallen wird, das beurteilen zu können bevor er den Kontext nicht vorgefunden hat.
Geropp:
Verantwortung heißt eigentlich nur, dass ich nachher eins draufkriege. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Also so meinst du?
Poppenborg:
Ja genau. So meine ich das. Und was ich noch unbedingt zu Ende führen wollte, der zweite Grund, warum das so schwierig ist so zu denken, ich weiß nie vorher, welche Mitarbeiter das sind, von denen ich glaube, dass sie keine Verantwortung übernehmen können. Ich bin sofort dabei, wenn wir sagen, es gibt hier und da ein paar schwarze Schafe. Und wenn jemand, lass es 40 Jahre sein, in einer Struktur gearbeitet hat, in der er nichts anderes kennen gelernt hat als Abrichtung und Befehl und Gehorsam und von der übelsten Sorte, dann ist das mit Sicherheit nicht unwahrscheinlich, dass er seine gesamten Selbstverwirklichungsbedürfnisse auf die Freizeit verlagert hat und das auch als Lebensentschluss für sich gefällt hat. Da bin ich dabei. Aber das ist, aus meiner Sicht, unpraktisch so zu denken, dass das die Norm ist und vor allen Dingen ist es unpraktisch eine Organisation für zwei oder ein Prozent der Mitarbeiter zu bauen, wenn 98 Prozent mit den Hufen scharren und darauf warten Verantwortung zu übernehmen, auch wenn sie es vielleicht nicht artikulieren können, aber sie können es.
Geropp:
Das kann ich nachvollziehen. Ich habe gesehen, ich glaube, das war auch in deinem Buch beschrieben, der Unterschied zwischen Prinzipien und Regeln. Vielleicht könnt ihr da ein bisschen was zu erzählen. Wann würdet ihr einem Unternehmen empfehlen mit Prinzipien zu arbeiten und wann mit Regeln?
Vollmer:
Ja, an dieser Stelle hilft uns wieder die Unterscheidung dieser beiden Wertschöpfungstypen. Es gibt Probleme in Unternehmen, die zu lösen sind, die hat man schon mal gelöst. Und dann das Rad neu zu erfinden, wäre unwirtschaftlich und sehr fehlerträchtig. Und für genau solche Probleme Regeln zu benennen, ist wertvoll. Ich erzähle an dieser Stelle gerne die Geschichte, die man immer im Flugzeug erlebt. Also der Kapitän, der am Anfang, der vor Beginn des Fluges die Flugtauglichkeit seines Fluggerätes überprüft, hat eine Checkliste. Das ist nichts anderes, als bereit gestelltes Wissen und ein genaues Regelwerk, in welcher Reihenfolge, er was, wie zu prüfen hat. Und das tut er sehr sorgfältig und diszipliniert. Und wenn er das nicht tut, hat er auch mit echten Konsequenzen zu rechnen. Und an dem Tag, an dem er einen Workshop einberufen würde mit seiner Crew und zwei Vertretern der Passagiere und mit so Kärtchen kleben, wer da eine schöne Idee hätte, wie man es sonst noch machen könnte, würde ich aussteigen. Sofort. So. Also da helfen uns Regeln, wenn wir genau diese Situation haben. Hier hört auch die Analogie mit der zivilen Luftfahrt auf, weil die sich ein Umfeld geschaffen haben, wo sie quasi so dermaßen regelorientiert arbeiten können, dass weit über 95 Prozent aller Flugsituationen über Regeln abzudecken sind. Das macht ja meistens Handeln sehr schnell und relativ sicher. Aber nur, wenn die Situation auch genauso ist, wie sie in der Regel verborgen ist.
Geropp:
Die 95 Prozent. Die anderen 5 Prozent?
Vollmer:
Genau. Und das ist, dieses Verhältnis stimmt nur in der zivilen Luftfahrt. Ich würde jetzt sagen, wieder übertragen auf ein Unternehmen, ist natürlich der Anteil der Wertschöpfung enorm hoch in den allermeisten Unternehmen. Aber mit Wortschöpfung der Norm kannst du keinen Blumentopf mehr gewinnen, weil dein Wettbewerber kann das auch. Das heißt, heute unterscheidest du dich zu mindestens in sehr engen, dichten Märkten und mir würden kaum noch welche einfallen, die das nicht sind, nur noch über bessere Ideen. Also der bessere Umgang mit der Wertschöpfung der Ausnahme. Und hier plötzlich helfen dir eben Regeln nicht, weil es immer wieder leicht andere Situationen sind. Und du brauchst in solchen Situationen eben Menschen mit Ideen.
Geropp:
Kannst du mal so ein Beispiel geben, was so ein Prinzip wäre und wie früher das, sagen wir mal, dann regelbasiert gelöst würde und heute dann eher auf eine Prinzipien basieren könnte?
Poppenborg:
Ein schönes das du auch oft erzählst, Lars, ist von ALDI. Die haben das Prinzip, wir sind sparsam. Und um jetzt mal eine ganz konkrete Situation auch zu beschreiben, in der man sich das vorstellen könnte, was das für einen Unterschied macht, wenn man jetzt in, wir stellen uns irgendeinen Logistikbereich vor, in dem irgendwelche Flurförderzeuge angeschafft werden müssen, damit man die Ware transportieren kann. Und angenommen, es gibt da die Regel, wir kaufen immer das günstigste Flurförderzeug, dann könnte das dazu führen, dass das in 30 Prozent der ALDI-Filialen, vielleicht auch 80 Prozent der ALDI-Filialen super funktioniert. Aber es gibt halt ein paar, die haben irgendwelche besonderen baulichen Erden und da gibt es vielleicht irgendwelche komischen Schrägen oder irgendwelche Säulen, die im Weg stehen oder irgendwelche Neigungen und schon passt die günstigste nicht mehr, sondern die würde einfach zu riesigen Problemen führen. Die kann man nicht einsetzen.
Vollmer:
Folgekosten.
Poppenborg:
Folgekosten. Das heißt, man hätte am Ende eben nicht gespart. Und jetzt könnte man seinen Mitarbeitern, die Kompetenz zutrauen, dass sie für die Probleme, die sie ganz konkret zu lösen haben jeden Tag, die natürlich im Logistikbereich auch wahrscheinlich zu 80, 85 Prozent aus Wertschöpfungen der Norm bestehen, aber nicht zu 100, da wird es eben Situationen geben, insbesondere, wenn es zu Veränderungen kommt, bei denen man aus der Zentrale heraus oder wo auch immer diese Entscheidung getroffen wird, mit der Regel zwar abstrakt immer Recht hätte, aber im konkreten Einzelfall weiß man eben nicht, was man wirklich braucht und da wäre man mit einem Prinzip viel besser bedient. Das Prinzip könnte lauten, wie bei ALDI, wir sind sparsam. Und das Spannende am Prinzip ist, dass es eigentlich immer nur sagt, was für ein Zustand anschließend eingetreten ist. Das heißt, die Mitarbeiter kennen jetzt dieses Prinzip. Jetzt müssen sie so ein Flurförderzeug anschaffen und sie überlegen sich, was würde hier passen und sie erinnern sich daran, dass sie sehr sparsam sein wollen, also suchen sie sich nicht das günstige aus, weil das funktioniert nicht, technisch, aber eben eins, was etwas mehr kostet, aber auch nicht super teuer ist. So. Und jetzt, jetzt kommt der spannendste Moment. Jetzt hat man das gekauft und jetzt findet etwas statt, was wir immer einen kulturellen Verdauungsprozess nennen. Also jetzt unterhält man sich darüber. Man beobachtet sich gegenseitig und reflektiert die Entscheidung. Nicht immer bewusst in irgendeinem Meeting, sondern in der Kaffeeküche, in der Kultur halt. Und man kommt vielleicht zu dem Ergebnis, das war sparsam. Und dann geht das in das Gedächtnis der Organisation ein und bei der nächsten Entscheidung fragt man sich wieder, wir sind sparsam. Okay, was hieß das denn in der Vergangenheit?
Geropp:
Das heißt, wenn ich dich richtig verstehe, geht es darum, ein Prinzip, wir sind sparsam, zwar aufzuschreiben, aber es zu unterlegen mit Beispielen, was das bedeutet?
Poppenborg:
Musst du, glaube ich gar nicht, weil das die Organisation selber zur Verfügung stellt. Und es ist für mich ganz wichtig zu unterscheiden, weil da könnte schnell Missverständnisse auftreten. Zwischen Werten und Prinzipien, das wird oft in einen Topf geworfen. Also ein Prinzip unterscheidet sich von einem Wert dadurch, dass es nicht trivial ist. Also man könnte ja auch sagen, wir sind nicht sparsam, sondern wir sind/
Vollmer:
Bei Dienstwagen, Reisekostenregelung könnte man das Prinzip ja anwenden. Wir sind sparsam, wäre eines der Prinzipien. Man könnte aber auch das Prinzip ansetzen, wir fahren ökologisch. Das wäre vollkommen legitim, das auch zu tun. Und würde natürlich in den Einzelfällen zu anderen Entscheidungen führen.
Geropp:
Weil andere Werte hinterlegt sind hinter diesem Prinzip?
Vollmer:
Ja, selbst wenn es nicht so wäre.
Geropp:
Bei dem einen ist, ja okay.
Vollmer:
Woher das Prinzip kommt, ist noch mal eine andere Frage, aber das Handeln unter dem einen Prinzip zieht andere Entscheidungen nach sich, als das Handeln unter dem anderen Prinzip. Was ich das Interessante dabei finde, ist, dass mit Prinzipien immer die Verantwortung der handelnden Person mit reinkommt. Bei Regeln wird ja Verantwortung weg delegiert an die Regel. So, das heißt, wenn ich viele Regeln habe und gleichzeitig laut propagiere, ich will aber Leute mit Verantwortung, dann ist das natürlich total paradox, weil die Verantwortung ist ja in den Regeln drin. Erst, wenn ich das Prinzip habe, wo eben nicht mit genau hinterlegt ist, was das bedeuten könnte, erst dann braucht es ja das Hirn und eben das Verantwortungsgefühl des Einzelnen. Also so entwickelt sich Verantwortung.
Geropp:
Lass mich mal eine Frage stellen. Nehmen wir mal an, ihr habt zwei Prinzipien. Das eine Prinzip ist, wir achten darauf, dass wir termintreu sind. Das Zweite ist, wir liefern bestmöglichste Qualität.
Vollmer:
Beides eignet sich nicht sehr gut als Prinzip, Bernd, weil das Gegenteil davon Unsinn wäre.
Poppenborg:
Das meinte ich eben mit dieser Trivialität.
Vollmer:
Also keiner würde sich das Prinzip geben, lass uns bitte unpünktlich sein. Das ist kein Prinzip. Und deswegen ist das andere auch keins. Das ist nicht handlungsleitend. In einer konkreten Situation wüsste ich jetzt nicht, wie ich mit diesem Prinzip irgendwie eine bessere Handlung erziele.
Geropp:
Lass es mich anders formulieren. Termintreu könnte sein, wir halten unsere Zusagen immer. Das ist ein ganz wichtiger Wert für uns, den wir (unv.) #00:43:17-0#
Poppenborg:
Koste es, was es wolle quasi?
Geropp:
Quasi, koste es, was es wolle. Parallel dazu habe ich das Prinzip, wir haben einen Qualitätsstandard und den halten wir immer ein. So.
Poppenborg:
Auch wenn wir zu spät kommen?
Geropp:
Jetzt können zwei Sachen zusammenkommen, wo der Mitarbeiter auf einmal die Wahl hat, will ich das eine Prinzip Pünktlichkeit oder das andere Prinzip Qualität. Was ist höher? Das habe ich als Prinzip aber dann, ist mir nicht klar. Das hat dann die Entscheidung der Mitarbeiter?
Poppenborg:
Ich würde darauf zwei Antworten geben wollen. Die erste wäre, auch da würde ich sagen, das sind nicht besonders clever gewählte Prinzipien. Also gute Prinzipien haben nicht so eine hohe Flughöhe, dass man in der konkreten Situation eigentlich schon wieder verloren ist, weil man damit nicht wirklich zwischen zwei Optionen unterscheiden kann. Also aus meiner Sicht ist ein gutes Prinzip dann ein gutes Prinzip, wenn es in der konkreten Problemsituation zwei mögliche Optionen, die wirklich gleichwertig nebeneinander stehen, dazu führt, dass die eine Option gewählt wird und die andere nicht. Dann ist es handlungsleitend.
Vollmer:
Ich würde sagen, ein Prinzip ist dann eins, wenn aus zehn möglichen Handlungsanleitungen schon mal sieben weg fallen. Dann ist das Prinzip gut gewählt.
Geropp:
Kannst du mir ein Beispiel dafür geben?
Vollmer:
Ja, lass uns dabei bleiben, was wir hatten. Reisekostenregelung. Prinzip, wir sind sparsam. So. Dann ist irgendwie sehr schnell klar, dass vielleicht eine ganz bestimmte Flugverbindung, die viermal so viel kostet, schon mal rausfällt. Aber vor Ort heißt es, nehme ich nun das Hotel für 120 Euro oder das für 80? Naja, jetzt brauchen wir nicht viel Fantasie, um sich deutlich zu machen, wenn ich das für 80 nehme, muss ich aber zweimal zum Termin mit dem Taxi für jeweils 30. Das ist teurer. So. Aber allerdings könnte vielleicht, wenn ich das Frühstück mit einberechne und so weiter und so fort. Also das heißt, ganz viele Varianten fallen weg. Die 87.000 Hotels, die nehme ich schon mal alle nicht. Zwischen diesen beiden. Jetzt muss ich nachdenken. Jetzt muss ich mal genau gucken. Jetzt muss ich für diesen einen ganz konkreten Fall, weil ich reise ja nicht grundsätzlich, sondern ich reise ja am 9. März. So und ich reise nicht überall hin, sondern genau in diese Stadt, wo gerade Messe ist. So und jetzt kann ich ganz konkret eine Entscheidung treffen, die aber nicht vorgegeben ist, die nicht regelbasiert zu ermitteln wäre.
Poppenborg:
Ich will noch mal ein Beispiel für ein anderes Prinzip machen, weil ich glaube, wir kreisen ja auch so ein bisschen um dieses Phänomen, dass in vielen Unternehmen solche Prinzipien gar nicht als solche zur Stärke, zur Wirkung kommen, weil sie eben so global galaktisch sind. Also fast jeder schreibt sich auf Qualität oder Termintreue. Und wir haben zum Beispiel das Prinzip, wir hatten das Problem bei uns, bei Intrinsify.me zu lösen, dass wir ja unsere dezentral organisierten Meetups von Mitgliedern des Netzwerks organisieren lassen, die vor Ort alle Entscheidungen selber treffen, die den ganzen Abend moderieren und so weiter und so fort. Und jetzt könnte man entweder die Regel aufstellen, lustiger Weise sind wir selber ins Fettnäpfchen getreten, die Regel aufstellen, die wir früher hatten, nämlich man muss bei zwei von unseren Vivents, das sind so unsere Netzwerkveranstaltungen, gewesen sein, bevor man so ein Meetup moderieren kann. Und dann haben wir uns selber einmal ausgelacht, dass wir auf diesen Fehler reingefallen sind und gesagt, „nein, das ist ja Quatsch, wir brauchen ja hier ein Prinzip und das Prinzip lautet jetzt, wir müssen diese Menschen so kennengelernt haben, dass wir uns ein Urteil erlauben können, ob sie so einen Abend gestalten können oder nicht. Und das delegiert die gesamte Verantwortung wieder zurück an uns. Damit kann man dann auch nicht mehr das unangenehme Gespräch vermeiden, das man nämlich mit der Regel natürlich vermeiden konnte. Es heißt, es sorgt dafür, dass die Mitarbeiter sich vollumfänglich auch über die unternehmerische Tragweite dieses Problems Gedanken machen. Und das nimmt ihnen eine Regel alles weg. Mir ist jetzt auch noch die zweite Antwort eingefallen auf deine Frage. Ich glaube, in vielen Organisationen ist es so, wenn gerade solche global galaktischen Prinzipien nebeneinander stehen, dann bedient sich der Mitarbeiter in der konkreten Situation gar nicht mehr dieser Prinzipien, sondern der kulturellen Muster, die daraus entstanden sind. Also wenn man dann beobachtet im Unternehmen, offensichtlich machen wir es so, dann wird das zum Prinzip. Und das steht dann da nirgendwo, aber danach handeln alle. Und dann kann man das höchstens im Nachhinein aufschreiben.
Geropp:
Aber wenn ich dich richtig verstanden habe, man muss sehr genau aufpassen, wie man ein solches Prinzip formuliert und es darf nicht zu global sein, sondern ich muss es schon ein bisschen weiter unten formulieren, damit es handhabbar wird? Kann man das so sagen?
Vollmer:
Genau. Diese Forderung, präzise Formulierung die eint jetzt Prinzip und Regel. Also wenn ich eine Regel schlecht formuliere, bringt sie auch nur Unsinn und das tut auch ein schlecht formuliertes Prinzip, ja.
Poppenborg:
Und wichtig ist eben diese Abgrenzung zu den Werten, die ja oft trivial sind. Mit trivial meinte ich, das Gegenteil wäre keine Option. Jedes Unternehmen hat Werte, wie Vertrauen und Loyalität und (unv.) #00:48:05-3#
Geropp:
Gut. Bei den Werten geht es hauptsächlich darum, was sind wirklich wichtige/ also die Priorität der Werte ist ja nachher eine Entscheidung. Ich kann einen Wertkatalog von zehn, zwölf Stück anschreiben, aber nachher ist das Entscheidende ja und was ist euer wichtigster Wert? Was zeichnet euch aus? Und dann wird das mit den Werten erst. Sonst bin ich bei dir. Sonst, wenn das alles gleichwertig ist, ist es nichts sagend.
Poppenborg:
Wir sind jetzt gerade dabei die Tür zu dem Thema Unternehmenskultur aufzumachen, wo wir wahrscheinlich noch mal sehr ausführlich drüber sprechen müssten, was sind Werte, was ist Kultur, weil ich grundsätzlich eine etwas andere Haltung zu dem Thema habe. Aber ich weiß nicht, ob du darauf jetzt (unv.) #00:48:46-5#
Geropp:
Ich glaube, wir sind schon bei 47, ich glaube, dann manchen wir lieber noch mal eine neue Sendung. Das wird sehr spannend. Dann mache ich das anders, sodass wir da dann jetzt das runde Ende finden. Also ich verstehe, dass gerade in der heutigen Zeit viel wichtiger wird sich Gedanken zu machen über die Prinzipien und weniger über die Regeln. Regeln haben wir in den meisten Unternehmen schon genug. Wir sollten sehen, dass wir die Regeln, wo sie nicht wirklich unbedingt benötigt wird, zum Beispiel bei den Reisekostenabrechnungen kann ich, ich erinnere mich da noch an 80 Seiten, aber das ist eine andere (unv.) #00:49:26-4#.
Poppenborg:
Und man kann auch einfach sagen, wenn man schon mal so eine richtig gute Regelinventur macht und sich mal von 20 Prozent der Regeln oder gerne auch mehr befreit, die dem Mitarbeiter nur im Weg stehen, dann braucht man auch nichts stattdessen machen. Also allein das ist schon meistens eine riesige Verbesserung.
Geropp:
Ja, das kann ich nur unterschreiben. Ich bedanke mich recht herzlich bei dir Mark, bei dir Lars. Hat mir riesen Spaß gemacht. Vielen Dank.
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