FPG136 – Wollen Sie wirklich ins Top-Management? – Interview mit Gudrun Happich
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Für viele Jung-Manager gilt Top Management als das Traumziel schlecht hin.
„Wenn Du erst mal Vorstand im Konzern bist, dann hast Du es geschafft: Hohes Gehalt, schöner Firmenwagen, ganz viel Einfluß und natürlich Gestaltungsspielraum.“
Tja, Pustekuchen. Das mit dem Gehalt und dem Firmenwagen stimmt zwar, aber Einfluß und Gestaltungsspielraum? Das bleibt wohl meistens eher ein Traum.
Top-Management = Fremdbestimmt!
Als Vorstand ist man ähnlich fremdbestimmt wie ein Spitzenpolitiker. Sie sind ständig in Meetings, müssen sich mit allen möglichen über alles Mögliche abstimmen und haben keine Zeit.
Selbst der Vorstandsvorsitzende kämpft mit seinen Vorstandskollegen Kleinkriege aus und muss sich ständig mit dem Aufsichtsrat abstimmen.
Ich gebe es gerne zu: Mir war das früher nicht klar. Als ich mein Start-Up verkauft hatte und im Konzern im mittleren Management tätig war, dachte ich mir durchaus, Vorstand zu werden könnte kein schlechtes Berufsziel sein.
Nach einiger Zeit bekam ich aber dann im Tagesgeschäft mit: Der Schein trügt. Es ist ein großer Unterschied, ob man eine erfolgreiche Führungskraft im unteren oder mittleren Management ist oder ob man sich als Top Manager in einem Konzern und der „Corporate-World“ bewegt.
Intrigen und politische Spielchen
Top-Manager sind die Führungskräfte an der Spitze eines Unternehmens. Je größer das Unternehmen desto größer scheint die Tendenz, dass es da oben im „Topmanagement“ dann anders zugeht. Intrigen, politische Spielchen und Netzwerke werden dann wichtiger als Teamarbeit und das operative Geschäft.
Karl Heinz Karius hat es in einem frechen, fast bösartigen Spruch auf den Punkt gebracht:
„Top Management? Das ist doch die Hüpfburg der Karrieristen.“
Hierzu ein kurzes Zitat aus dem Buch: „Ärmel hoch“ von der von mir sehr geschätzten Executive Business Coach Gudrun Happich:
„… Im mittleren Management zählen noch Werte wie Berechenbarkeit, offene Kommunikation und Klarheit. Die Kommunikation im Top Management hingegen ist oft doppelbödig.
Auf den obersten Ebenen wissen Sie nicht von vorneherein, wem Sie trauen dürfen – und das heißt auch: Die Luft wird dünner, es wird einsamer.
Wer ins Top Management aufsteigt, gelangt oft in eine Welt des Einflussnehmens und politischen Taktierens…“
Gudrun Happich
Vor Kurzem habe ich mich mit Gudrun Happich in Köln getroffen und mich mit ihr über das Topmanagement und das dortige Personal unterhalten.
Was ändert sich beim Aufstieg ins Top Management?
Woran erkenne ich, ob ich dafür überhaupt geeignet bin und das überhaupt machen möchte?
Gudrun Happich hatte ich bereits zweimal im Interview, und zwar in Folge 29 – da ging es darum, wie ich als Mitarbeiter mit einem Top Manager umgehe – und in Folge 33: Da sprachen wir über Führungskräfte, die sich in einer Umbruchphase befinden.
Gudrun Happich ist Sparrings-Partnerin für Leistungsträger in Top- und Schlüsselpositionen. Bereits mit 30 war die ehemalige Leistungssportlerin in der Geschäftsleitung für rund 1.000 Mitarbeiter verantwortlich. Und heute hat sie als Executive Coach in Köln ihre Berufung gefunden.
Hier also mein Gespräch mit Gudrun Happich zum Thema Top Management:
Das transkribierte Interview mit Gudrun Happich
Geropp:
Gudrun, was ändert sich denn beim Aufstieg vom mittleren Management ins Top-Management und woran erkenne ich als Führungskraft im mittleren Management, ob ich für das Top-Management überhaupt geeignet bin?
Happich:
Das ist eine total spannende Frage. Als Leistungsträger definieren wir uns ja sehr stark über Leistung auch im mittleren Management. Da ist die Frage im mittleren Management, was heißt denn das? Da heißt es, dass ich als Führungskraft meine Leistung ist, dass ich eine Mannschaft zu Ergebnissen führe. Nicht selber erreiche, sondern in der Lage bin sie zu motivieren, zu delegieren und sie zu Ergebnissen zu führen. Das ist im mittleren Management Leistung.
Wenn ich ins Top-Management komme, dann geht es auch um Leistung, aber Leistung ist mit einem Mal eine andere. Das heißt, die Leistung ist hier eher Beziehungen und Netzwerk, politisches und taktisches Kalkül und ich arbeite auch weniger Im Unternehmen, sondern eher am Unternehmen, sprich an Visionen und Strategien. Also das heißt, ich habe beides mal einen Leistungsbegriff, aber der ist vollkommen anders definiert.
Geropp:
Also wir sprechen jetzt von jemandem, der zum Beispiel als Hauptabteilungsleiter dann in den Vorstand berufen wird, also dieser Unterschied, ja, in einem großen Konzern.
Happich:
Genau. Im Konzern sagt man immer C-Level. Das ist auch spannend, das Top-Management. Man hat immer so diese Vorstellung, das ist der Höchste. Also der Vorstandsvorsitzende. Ich habe lange Jahre da auch echt recherchiert, was heißt eigentlich Top-Management. Und im Moment ist mein aktueller Stand, es gibt gar kein offizielles Level.
Also bei vielen heißt es, die erste Ebene und die zweite Ebene. Von daher macht es Sinn, wenn ich als Führungskraft in einem Unternehmen bin, mal tatsächlich einzelne Leute zu fragen: Wo fängt hier eigentlich das Top-Management an?
Ich hatte jetzt gerade gestern ein Gespräch, jemand im Konzern, habe ich auch gefragt: Wo fängt bei euch Top-Management an? Die haben insgesamt acht Ebenen und auf der vierten unterm Vorstand fing schon Top-Management an.
Geropp:
Das heißt, wenn ich dich richtig verstehe, Top-Management beginnt dann, wenn ich sage, also der Hauptteil meiner Zeit beschäftige ich mich mit politischem Schrunz.
Happich:
Genau. Also im Grunde kannst du sagen, ab dem Moment, wo du, im mittleren Management hast du häufig so diese Spielregel: klare und offene Kommunikation, ich sage, was ich meine.
Geropp:
Also die Sachen, die man in einem guten Führungstraining lernt.
Happich:
Ja. All das.
Geropp:
Die kann man alles vergessen, sobald ich in dieses politische Zeug komme.
Happich:
Nein, das zählt alles beim mittleren Management. Und wenn ich mich so dran gewöhnt habe und sage: „Jetzt kenne ich diese Welt“ und ich werde befördert.
Geropp:
Jetzt bin ich eine gute Führungskraft. Und dann muss ich alles neu lernen.
Happich:
Und spätestens dann, wenn ich befördert werde und ich mache die Erfahrung, ich mache all das, was ich gelernt habe und all das, wo ich früher Lob gekriegt habe, gucken mich jetzt die Leute komisch an. Und ich verstehe nicht mehr so wirklich, was die eigentlich von mir wollen. Die Sprache wird so schwulstig, so um die Ecke, so blumig und ich frage dann dreimal nach und kriege immer noch keine klare Antwort. Das ist das politische Parkett, was du hast.
Geropp:
So. Ist das zwangsläufig so in einem großen Konzern, dass das so sein muss oder gibt es da große Unterschiede? Da gibt es auch Konzerne, wo das nicht ist?
Happich:
Also sagen wir es mal so: Im klassischen, traditionellen Top-Management ist es überall so – meine Erfahrung. Nun sind wir ja alle Transformation, Wandel, auch Kulturwandel steht ja nun wirklich in jeder Zeitschrift. Und alle schreiben sich das auf die Fahne. Und jetzt wird es schwierig, weil auch das klassische, traditionelle Top-Management mit diesen politischen Spielregeln, auch das fängt an im Wandel zu sein.
Super Perspektive: In, keine Ahnung, fünf Jahren, 50, 500 Jahren werden auch die Spielregeln des mittleren Managements, also Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit wird auch an der Spitze angekommen sein. Aber und jetzt kommt das schöne. Das ist von der Branche abhängig, von der Unternehmensgröße abhängig und dann letztendlich, selbst wenn ich sage, ich bin in einem super innovativen, moderneren Unternehmen und da gibt es immer weniger Politik, kann es sein, dass ich einen Chef habe, der aber noch zum alten Schlag gehört.
Das heißt, eigentlich muss ich immer wieder schauen: In dem Umfeld, in dem ich mich gerade bewege, haben wir hier noch das klassische, also viel mit Doppelbödigkeit in Politik oder kann ich hier mit Transparenz schon ganz gut arbeiten. Und das ist ganz viel, sich aufs innere Gefühl verlassen.
Geropp:
Du bist Coach für Executive-Mitarbeiter. Wenn Leute zu dir kommen, die im mittleren Management sind und jetzt den Sprung machen, wirklich ins Top-Management, ist das ja wichtig für die, weil das ja eine totale Veränderung ihrer Arbeitswelt eigentlich beinhaltet, wenn das so ist.
Wann schlägst du den Leuten denn vor, wann sollten sie eine Beförderung ablehnen und funktioniert das überhaupt für so jemanden, der jetzt Hauptabteilungsleiter ist, wird vielleicht in den Vorstand berufen, der sagt: Den Schrunz tue ich mir nicht an. Und kann er das überhaupt tun, ohne danach eigentlich abgeschoben zu sein, so: Der gehört nicht zu uns. Oder wie läuft das?
Happich:
Also sagen wir es mal so: Die Idealsituation ist, jemand hat das Angebot bekommen und wir haben noch eine Chance zu reden. Das heißt, er hat die Chance sich tatsächlich zu entscheiden, will ich das, will ich das nicht? Kann ich das, kann ich das nicht? Die Realität ist meistens andersrum.
Jemand ist Hauptabteilungsleiter, wird befördert. Der freut sich, weil er meistens denkt, je höher ich komme, um so freier bin ich. Je höher ich komme, umso mehr kann ich gestalten und umso mehr Einfluss habe ich. Und deswegen nimmt der natürlich das Angebot an. In der Regel wissen die Leute nicht, dass das einen Leistungswechsel gibt zwischen mittlerem und höherem Management. Und das heißt, sie freuen sich riesig jetzt in der Top-Position zu sein, merken in der Realität, von wegen Freiheit. Ich bin umso also abhängiger und fremdgesteuerter denn je. Ich kann immer weniger selbst entscheiden. Ich bin also viel fremdgesteuerter als die anderen.
Und auf meiner Ebene kommt ja nichts Nettes mehr an. Das Lob versackt bei dem Mitarbeiter oder im mittleren Management und der ganze Scheiß, also wenn irgendeiner, irgendwo zufrieden ist, der landet bei mir auf dem Schreibtisch. Und es gibt immer weniger Leute, mit denen ich mich austauschen kann. Wenn er das erlebt, sagt er dann meistens, „ja, so eine Scheiße.“
Geropp:
„Warum habe ich mir das angetan?“
Happich:
Genau. „Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich es nicht gemacht.“
Aber auch das muss ja nicht so sein. Das heißt, noch mal, idealerweise – jetzt für deine ganzen Zuhörer – wäre es gut, ich bin auf dem mittleren Management und ich kriege eine Beförderung, bitte in dem Moment überlegen, also erstens sich bewusst machen: Im nächsten Schritt ändert sich ganz viel. Die Spielregeln ändern sich. Es wird politischer, auch wenn ich das nicht mag. Die Welt ist so.
Geropp:
Das heißt, ich muss mich dran/
Happich:
Ich muss einen Weg finden damit umzugehen. Und dann sich überlegen: Möchte ich das? Wenn ich es richtig mache -, ich will das Top-Management nicht schlecht reden; wenn ich es richtig mache – ich kann irre viel bewegen da. Ich habe Einflussmöglichkeiten, ich kann gestalten, ich kann die Unternehmenskultur bewegen, ich muss mich überhaupt nicht verbiegen, ne. Aber dazu muss man eben individuelle Wege finden.
Bei mir kommen ganz viele Klienten, die dann den Sprung geschafft haben, merken „Uaah, ist ja irgendwie alles ganz doof.“ Die kommen dann ins Coaching, weil sie eben nicht scheitern wollen und sehr häufig sagen sie: Frag mich, wenn ich genauso doof werden muss, wie so ein „Arschloch“ werden muss, wie mein Vorstand, dafür kündige ich lieber.
Dann sag ich dann meistens: Oh, wie wäre es, wenn Sie auf dieser Ebene bleiben können, etwas bewegen können, die politische Gemengelage, die da ist, wie die Klaviatur des Klaviers bedienen können und zwar, ohne sich zu verbiegen? Und dann sagen die meisten: Oh, wie geht das? Dann hätte ich Lust.
Geropp:
Das wäre jetzt auch meine Frage. Ich meine, das bedingt ja eine gewisse Souveränität oder Gelassenheit. Also ich erinnere mich, ich hatte die nicht. Deswegen wäre jetzt meine Frage, wie bekomme ich das als Führungskraft, diese Souveränität, von der du eigentlich jetzt sprichst? Das Alpha-Alpha-Tier da oben gelassen wahrzunehmen und mit ihm zu spielen?
Happich:
Mit ihm zu spielen. Genau. Also ganz ehrlich, wenn man in der Situation ist, da ins Feld reingeworfen zu werden, ich glaube, ich kenne keinen, der da gelassen ist, sondern wütend, ohnmächtig, fühlt sich ausgeliefert, fühlt sich in die Ecke gedrückt. Also fast jeder sagt dann: Du mich auch“, Stinkefinger. Es ist ein Prozess, diese Souveränität und die Gelassenheit hinzukriegen. Ich möchte ihn mal so ausdrücken.
Der erste Schritt, ich formuliere das gerne, also du kennst ja den Knigge, ne. Knigge Reden, finde ich ja ekelig, so konservativ und so fürchterlich, aber ich vergleiche das gerne mit dem Knigge. Wenn ich zum Beispiel gerne Lederhosen trage mit kurzen Hosen und da ist eine Oper angesagt und ich denke, oh super, ich gehe mit den Lederhosen in die Oper, dann gucken mich wahrscheinlich alle ziemlich komisch an, weil sie halt denken, die passt da nicht hin. Und das sind keine wertschätzenden Blicke. Und wenn ich das vorher nicht weiß, ist mein Opernabend versaut.
Wenn ich aber den Knigge gelesen habe und im Knigge drinsteht, also wenn Sie auf Opern-Veranstaltungen gehen, dann bedeutet das eben eher Abendgarderobe und so weiter und ich die Spielregel des Opernabends kenne, dann kann ich für mich entscheiden, okay, ich will schöne Oper gucken, also bediene ich die Spielregel und zwänge mich auch in einen Smoking oder ich kann bewusst entscheiden, da habe ich keinen Bock drauf, ich ziehe Lederhosen an. Ich mache es bewusst.
Ich weiß, was auf mich zukommt. Das heißt, was ich damit sagen möchte, ein wichtiger Schritt, um die Souveränität zu kriegen, ist, dass ich die Spielregeln kenne dort. Und dass, auch wenn ich die doof finde, wenn ich in diesem Spiel mitspielen möchte, macht es Sinn, sie zu kennen und deren Existenz erst mal stehen zu lassen.
Ich sage ganz bewusst „nicht akzeptieren“. Das hieße ja schon fast gut finden, sondern einfach zu sagen: „Die sind so, ich alleine kann die nicht ändern.“ Dazu bedienen das zu viele. Aber wenn es mir wichtig ist auf dem Parkett mitzuspielen, sprich wenn es mir wichtig ist in eine Oper zu gehen, dann macht es einfach Sinn zu kennen, dass es Abendgarderobe gibt. Dann habe ich nicht mehr diesen inneren Widerstand.
Geropp:
Ja, verstehe ich. Es bedingt aber, dass ich mir eigentlich schon vorher überlege, weil es kostet ja Zeit, sich mit solchen Sachen zu beschäftigen. Mir hat mal mein erster Chef gesagt, in der Industrie: Je höher man kommt, desto mehr Leute hat man, die an seinem Stuhl sägen.
Und da müsste man schon 20, 30 Prozent mit verbinden, mit verbringen, um die weg zu tun. Und ich habe erfahren, je höher man kommt, da reichen 20, 30 Prozent nicht. Das heißt, ich habe ganz schnell 50, 60 Prozent meiner Zeit, die ich nur mit solchen Spielchen verbringe.
Da muss ich mir irgendwann dann auch überlegen, will ich das eigentlich. Also irgendwann könnte es ja sein, dass ich dann sage: Ich habe das jetzt verstanden, ich kann auch eine gewisse Souveränität oder Gelassenheit aufbringen, aber ich habe keine Lust, 60 Prozent, 70 Prozent meiner Zeit mit solchen politischen Spielchen zu verbringen. Das befriedigt mich nicht. Ich habe nur ein Leben. Wie gehst du mit solchen Leuten um?
Happich:
Also du hast eben eine ganz wichtige Frage gestellt: Ich muss mir natürlich überlegen, wo möchte ich hin. Und ich nenne dir zwei Beispiele. Ich hatte einen Klienten, Ende 40, der hat den Sommer dazu genutzt mal nicht in den Urlaub zu fahren, sondern war in der Firma und hatte dort mehr mit der Geschäftsleitung zu tun, hat mitgekriegt, wie die da funktionieren. Er, ganz lange im Unternehmen, mittleres Management. Und die Geschäftsführung hat ihn immer wieder gefragt:
„Mensch, Herr XY und wir hätten Sie so gerne in unserem Club und dann können Sie ganz viel hier gestalten und bewegen. kommen Sie doch zu uns.“
Und er sagte: Dadurch, dass ich eben im Sommer Zeit hatte, das kennenzulernen und auch mitzukriegen, was das für Spielkästchen, also Sandkastenspiele sind und mit welchem, aus seiner Sicht, Scheiß, die sich beschäftigen, hat er gesagt: Also diese Differenz mehr an Geld, die ich bekomme, das ist das Schmerzensgeld nicht wert. Und er hat aus voller Überzeugung, als er dann ernsthaft gefragt wurde, in die Geschäftsleitung zu kommen, hat er gesagt: Wisst Ihr was, das ist nicht mein Platz. Um befriedigt zu sein und effektiv zu sein, ist mein Platz im mittleren Management und zwar bewusst entschieden, ohne Frust. Das war seine Entscheidung.
Ein anderer Klient von mir, der sagt auch – ganz klar, ist von der Ausbildung promovierter Chemiker, sehr inhaltsstark, total ehrlich und offen und der sagt: Ach, wissen Sie was, Frau Happich, auf diese ganzen politischen Spielchen habe ich echt keine Lust und ich könnte drauf verzichten. Und ich verbringe tatsächlich, wie du sagst, 50 Prozent meiner Zeit mit diesem „Scheiß“. Auch für mich ist es „Scheiß“.
Aber ich bin hier verantwortlich für 1.000 Leute und das heißt, ich habe Kraft meiner Wassersuppe, dass ich auf dieser Ebene bin, kann ich grundsätzlich, an der grundsätzlichen Richtung des Unternehmens und auch was, quasi, ich habe jetzt so eine kleine eigene Unternehmenskultur in meinem Bereich hingekriegt, das hätte ich nie schaffen können, diese Art von Einfluss, wenn ich nicht in der Position wäre.“
Also das heißt, das sind jetzt zwei Beispiele, gleiche Situation, der eine hat sich dagegen, der andere hat sich dafür entschieden. Und ich glaube, darum geht es, für sich selbst zu entscheiden, möglicherweise auch, nehmen wir mal an, wenn ich 55 bin oder 60 bin und ich gehe so in die dritte Lebensphase, ja was möchte ich denn erreicht haben.
Geropp:
Wie lange oder wie funktioniert so ein Prozess? Die sagen immer, ich habe so einen 54, 55jährigen und der macht sich jetzt Gedanken und sagt: Jetzt bin ich da im Top-Management seit vielleicht mehreren Jahren oder im mittleren Management und irgendwie merke ich immer mehr, ich habe keine Lust mehr.
Was für ein Prozess ist das, dass der zu der Entscheidung kommt, egal, dass er wieder Spaß an der Sache hat oder dass er aussteigt oder dass er sonst was macht? Wie funktioniert das normalerweise für so jemanden, wenn er in so eine, ja, kritische Phase eigentlich kommt, wo er frustriert ist? Wie läuft das normalerweise so dass er am Ende/
Happich:
Dass es sauber läuft.
Geropp:
Dass es sauber läuft und dass am Ende wirklich eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung ist und wie lange dauert das nach deiner Erfahrung?
Happich:
Also ich sag mal, der erste Impuls, wenn jemand in so einer Situation ist und damit überrascht wird – Oh, ich bin hier und irgendwie ist alles ganz anders, als ich mir das vorgestellt habe -, der erste Impuls ist sehr häufig: Hauptsache weg von hier.
Das heißt, entweder zum Wettbewerber oder die Branche wechseln. Also Hauptsache weg von hier. Ich übersetze das manchmal so, weil das, was ich gerade erlebe, das kenne ich ja und je weiter weg ich gehe, da ist ja noch unbekanntes Terrain oder ich mache mich selbständig mit irgendwas, da habe ich noch die Traumwiese, wo ich mir das ideal vorstelle.
Geropp:
Das Gras ist immer grüner beim Nachbarn.
Happich:
Das Gras des Nachbarn ist immer grüner. Ich kann immer nur empfehlen, diesem Impuls bitte nicht zu folgen, weil, in 90 Prozent der Fälle ist es tatsächlich nur eine Flucht, ne, weil, meine eigenen Themen bringe ich mit. Das ist so das erste. Das zweite, wenn das hochkommt und ich merke, irgendwas ist doof.
Also wir sind jetzt mal in der Situation, ich bin ins Top-Management befördert worden und ich fange an, dass ich es doof finde. Dann habe ich ja einen Schritt schon hinter mir, das heißt die Beförderung dorthin. Ne. Und ich sag mal, ich finde es hilfreich, wenn ich merke, irgendwie ist es doof und wenn ich das bei doof belasse, riskiere ich ja auch, dass ich das nicht überlebe hier. Die Gesetze im Top-Management sind ein bisschen schneller und härter. Da werden auch schnell mal Bauernopfer gesucht.
Dann würde ich immer empfehlen, dass derjenige das wahrnimmt und dass er sich an der Stelle tatsächlich professionelle Unterstützung holt, um das eigene da selbst zu reflektieren, um dann tatsächlich eine Lösung zu finden. Wenn du jetzt fragst, wie lange das dauert, das kann tatsächlich ein Termin sein, zwei, drei Stunden, weil man einfach an die Knackfragen kommt, dann kann das ganz schnell gehen.
Es kann aber auch sein, dass es vielleicht drei, vier Termine dauert, weil da so viele Sachen eine Rolle spielen, über die sich derjenige nicht wirklich klar ist. Welche Fragen aber auf jeden Fall eine Antwort braucht, ist: Ich sage ja, um ideal zufrieden und leistungsfähig zu sein, sind drei Bereiche ganz wichtig. Das eine ist meine Aufgabe, sprich, was ist eigentlich für mich das ideale Tun, um in dem Führungsbereich-Jargon zu bleiben? Ja mache ich lieber inhaltlich etwas? Führe ich lieber Leute? Bin ich lieber auf strategischem Bereich unterwegs? Also sprich das Richtige tun.
Geropp:
Oder macht es mir vielleicht sogar Spaß, das Politische.
Happich:
Ja. Genau. Kann ja auch sein. Also wenn ich es geschnallt habe, dann kann es Spaß machen, ne. Das heißt, ich brauche die richtige Aufgabe. Dann das richtige Umfeld. Also ich würde lax behaupten: Das Umfeld macht mindestens 50 Prozent, wenn nicht deutlich mehr aus, ob ich in dem, was ich tue, erfolgreich bin oder nicht.
So, schönes Beispiel. Nehmen wir mal an, du bist der tollste Goldfisch, den ich in meinem Leben kennengelernt habe. Goldfisch, ne. Und du bist jetzt gerade in einem Piranha-Becken.
Geropp:
Das ist ganz schlecht.
Happich:
Was ist denn schlecht? Du bist doch, du hast doch tollste Absichten?
Geropp:
Ja. Stimmt.
Happich:
Naja, was würdest du dem Goldfisch, wenn du am Rand stehst, was würdest du dem Goldfisch empfehlen?
Geropp:
Ich würde sagen, „spring raus.“
Happich:
Das ist ja Fahnenflucht.
Geropp:
Du hast keine Chance gegen Piranhas.
Happich:
Das ist das Entscheidende. Es gibt ganz, ganz viele meiner Klienten, die sagen,
„…aber ich habe doch super Absichten.“
Wo ich sage: Ja, aber was willst du als Goldfisch mit einem Piranha-Becken? Nicht das Piranha-Becken, sondern die Piranhas sind das Entscheidende. Weil, die haben nur Interesse, den Goldfisch zu fressen, egal wie hehre Absichten er hat.
Du hast als Einzelner einfach keine Chance, du bist im falschen Umfeld. Das heißt, es kann manchmal sehr klug sein, dieses Umfeld, was zu dir nicht passt, zu wechseln, wenn du was bewegen willst. Als toter Goldfisch bewegst du nun mal nicht ganz so viel.
Geropp:
Das ist richtig.
Happich:
Und da ja viele Leute nicht wissen, dass sich schon allein durch diese politische Gemengelage das Umfeld zwischen mittlerem Management und Top-Management enorm ändert, macht es Sinn für mich rauszukriegen: Was brauche ich denn da? Wie du vorhin sagtest, ich habe auch tatsächlich Klienten, die für sich rauskriegen: Bboah, ich wusste gar nicht, wie viel Spaß mir das macht. An Strippen ziehen und Sandkästchen spielen.“
Aufgabe ist wichtig, Umfeld ist wichtig. Und das Dritte, da habe ich selber unheimlich viele Jahre gebraucht, um das rauszukriegen, die Rolle.
Also Rolle ist das, wo ich drin bin, wo ich kraft meiner Wassersuppe die höchste Wirkung erziele. Und die Rolle kann zum Beispiel sein, ein inhaltlicher Spezialist. Also sprich Mitarbeiter oder Leuchtturm oder, ja. Die Rolle kann auch sein, Führungskraft. Und die Rolle kann auch genauso sein, Vorstand, im strategischen. Und das ist, die Rolle ist die, wo ich die maximale Wirkung habe, sprich auch den maximalen Nutzen für das, was ich halt tue.
Und das ist auch ein Unterschied, ob ich im mittleren Management bin oder ob ich, ich sag mal, im Top-Management bin. Das sind unterschiedliche Rollen. Diese drei Fragen sind Minimum wichtig zu beantworten, um eine Antwort dann zu kriegen: Ist generell an der Spitze arbeiten für mich etwas, ja oder nein? Und selbst, wenn ich rauskriege, es ist was für mich: Ist es das denn auch in diesem Unternehmen, mit dieser Unternehmenskultur?
Geropp:
Ja, verstehe ich.
Happich:
Ich sag mal ein schönes Beispiel: Ich hatte mal einen Klienten, der kam – IT-Branche, mittleres Management, kam an – und sagte:
„Frau Happich, ich habe ein ganz kleines Coaching-Ziel, geht auch ganz schnell. Ich habe nur einen Wunsch, der wäre, ich möchte authentisch werden und zwar in jeder Sekunde meines Lebens.“
Und da habe ich gesagt: Oh, was denken Sie denn, wie lange das dauert? Da meint er: Ooch, mit allen Feinheiten, ich denke mal, so drei Monate.
Da haben wir erst mal realistische Zielklärung gemacht, dass ich gesagt habe: Ups, ich glaube, das dauert ein bisschen länger, aber wir fangen mal an.
Was ich aber erzählen wollte, der ist tatsächlich diesen Weg gegangen und ich glaube, ein Jahr später ist er gefragt worden, ob er von dem Unternehmen Vorstand werden möchte. Und da habe ich gesagt: Lieber Herr XY, wissen Sie, was das bedeutet? Das Unternehmen möchte das so, wie Sie jetzt sind, wie Sie führen, wie Sie Ihren Job verstehen. Man möchte, dass Sie quasi Vorbild, also die erste, wie nennt man das?
Geropp:
Geige.
Happich:
Erste Geige in diesem Unternehmen sind und damit können Sie natürlich ganz maßgeblich Einfluss auf die Unternehmenskultur nehmen.“ Und da sage ich mal, dafür gehe ich doch gerne ins Top-Management, oder, wenn ich Möglichkeit habe? Weil, die meisten wollen ja an eine Spitze, um tatsächlich was zu bewegen und was zu bewirken, ne. Also so kann es auch sein.
Geropp:
Gudrun, ich bedanke mich recht herzlichst.
Das inspirierende Zitat
„Nicht die betonierten, die gläsernen Chefetagen erweisen sich als die geschlossenen Anstalten.“
Martin Gerhard Reisenberg
Weiterführende Links
- Webseite von Gudrun Happich
- Tipps für den Umgang mit dem Top-Management
- Interview mit Gudrun Happich: „Was wirklich zählt!“
- Gudrun Happichs Buch: Ärmel hoch – Die 20 schwierigsten Führungsthemen
- Gudrun Happichs Buch: Was wirklich zählt! Leistung, Leidenschafr und Leichtigkeit für Top-Führungskräfte
- Karriere machen? So geht’s!
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