Variable Vergütung: Nützlich oder schädlich?
Als Unternehmer suchen Sie ständig nach Möglichkeiten, Ihr operatives Geschäft zu verbessern. Ihre Mitarbeiter sollen Sie dabei unterstützen und mit Ihnen an einem Strang ziehen.
Fast alle Großunternehmen bezahlen deshalb ihre Führungskräfte und Vertriebsmitarbeiter leistungsbezogen.
Deren Jahresgehalt wird dabei in ein Fixum und einen variablen Anteil aufgeteilt. Diese variable Vergütung soll motivierend wirken und wird an das Erreichen individueller Ziele gekoppelt.
Vielleicht fragen Sie sich nun:
„Sollten wir nicht auch unsere Vertriebsmannschaft mit einem Grundgehalt und einem an Ziele gekoppelten Anteil vergüten? Das kann ja schließlich nicht falsch sein, wenn es all die anderen erfolgreichen Großunternehmen auch machen!“
Vorsicht. Schauen wir erst mal, ob eine variable Vergütung wirklich das hält, was sie verspricht:
Variable Vergütung: Was ist das Ziel?
Was ist die Grundidee einer variablen Vergütung?
Der Unternehmer oder Vorgesetzte vereinbart Ziele mit seinem Mitarbeiter. Er will damit erreichen, dass sich der Mitarbeiter auf diese Ziele fokussiert.
Um das sicher zu stellen, erhält der Mitarbeiter einen Teil seines Gehalts nur, wenn er seine Ziele auch erreicht. Das Unternehmen will also den Mitarbeiter motivieren im Sinne des Unternehmens zu handeln. Strengt er sich besonders an, kann er das Ziel auch übererfüllen. Der Mitarbeiter bekommt dann sogar mehr als die vereinbarten 100 % des variablen Gehaltsanteils.
Die Befürworter einer variablen Vergütung nennen hauptsächlich folgende Vorteile:
- Die Mitarbeiter sind durch den variablen Anteil motiviert.
- Die Mitarbeiter werden nach Leistung bezahlt.
- Das Ziel- und Vergütungsmanagement kostet wenig, bringt aber viel.
Glauben Sie auch, dass Sie mit einer variablen Bezahlung mehr aus Ihren Mitarbeitern rausholen? Na, dann schauen wir uns das mal im Detail an:
Motivation von Mitarbeitern
Ich finde es erstaunlich, dass Unternehmen glauben, ihre Mitarbeiter motivieren zu müssen, damit diese im Sinne des Unternehmens handeln. Für die Erbringung dieser Leistung hat sich der Mitarbeiter doch in seinem Arbeitsvertrag verpflichtet und das Unternehmen zahlt ihm dafür sein Gehalt, oder?
Das Unternehmen unterstellt damit doch dem Mitarbeiter, dass er wahrscheinlich nur einen Teil seiner Arbeitsleistung erbringen wird.
Das Unternehmen geht also davon aus, dass der Mitarbeiter vertragsbrüchig werden wird. Eigentlich sollte das Unternehmen jemanden doch gar nicht erst einstellen, der wahrscheinlich vertragsbrüchig wird, oder?
Gehaltsgefüge in Großunternehmen
Aber es wird ja noch eigenartiger:
Betrachten wir mal das Gehaltsgefüge in einem Großkonzern. Dort gilt:
Je höher die Mitarbeiter in der Hierarchie, desto höher ist deren Gehalt und desto höher ist auch deren variabler Gehaltsanteil.
So beträgt der variable Gehaltsanteil eines Abteilungsleiters meist zwischen 10 % – 20 %. Der variable Gehaltsanteil eines Vorstands hingegen kann 50 % oder sogar mehr betragen.
Motivation von Vorstandsvorsitzenden
Beim variablen Anteil eines Vorstandsvorsitzenden eines DAX Unternehmens sieht es noch extremer aus. Die Aktienoptionen und sonstige Bonuszahlungen liegen in Millionenhöhe. Das Grundgehalt kann da getrost in Anlehnung an Hilmar Kopper als „Peanuts“ bezeichnet werden.
Da bekommt der Dax-Vorstandvorstandsvorsitzende schon mal 500.000 EUR als Grundgehalt und muss trotzdem noch mit variablem Gehaltsanteil, Aktienoptionen und sonstigen Boni in Größenordnungen von mehreren Millionen EUR “motiviert“ werden.
Da frage ich mich doch: Muss so jemand tatsächlich motiviert werden, seinen Job anständig zu tun und nicht vertragsbrüchig zu werden? Ja geht’s noch?
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ein Dax Vorstand soll ruhig ordentlich Geld verdienen, wenn er einen guten Job macht. Das können auch mehrere Millionen EUR sein. Aber ich muss so jemanden doch nicht motivieren! Entweder der ist von sich aus motiviert oder er soll sich zum Teufel scheren!
Schauen Sie sich hierzu bitte auch mein Video an:
Motivation von kleinen Angestellten
Wie motiviert sind denn Krankenschwestern, Altenpfleger, Polizisten oder Soldaten?
Soweit mir bekannt ist, werden die nicht durch variable Gehaltsanteile motiviert. Vielmehr sind diese Menschen meistens aus sich heraus hochgradig motiviert.
Die machen einen hervorragenden Job – obwohl sie nur einen Bruchteil des Grundgehalts eines Dax-Vorstands bekommen. Von Boni und variablen Gehaltsanteilen ganz zu schweigen.
Übrigens: Auch Bundeskanzler oder Minister werden nicht durch variable Gehaltsanteile motiviert. Das wäre ja noch schöner!
Ziele vereinbaren
In meinen 9 Jahren als angestellter Geschäftsführer in einem großen deutschen Industriekonzern war auch meine Vergütung variabel gestaltet. Auch meine Mitarbeiter wurden alle leistungsbezogen bezahlt, d.h. mit variablen Gehaltsanteilen.
Zu Beginn war ich auch überzeugt, dass diese variable Entlohnung fair und richtig sei. Mit der Zeit beschlich mich aber immer mehr das Gefühl, dass da was nicht richtig funktioniert:
Zu Beginn jeden Jahres führte ich mit jedem meiner Abteilungsleiter Zielvereinbarungsgespräche. Die Gespräche waren mir immer sehr wichtig. Schließlich wollten wir in einem solchen Gespräch gemeinsam ein Bild von der Zukunft malen und Möglichkeiten aufspüren, wohin es mit dem Unternehmen und der Abteilung gehen soll. Das Machbare sollte ausgelotet werden. Die daraus erarbeiteten Ziele sollten herausfordernd, aber erreichbar sein.
Mit einigen Mitarbeitern verliefen diese Gespräche auch gut. Mit vielen gestalteten sie sich aber schwierig, da die Mitarbeiter bei den Zielen mauerten. Ihnen ging es nicht mehr darum, das Machbare auszuloten und anzuspornende Ziele zu finden.
Vielmehr wollten Sie ihre persönlichen Ziele nach unten setzen und dadurch möglichst einfach und sicher einen größtmöglichen Verdienst erhalten.
Zielgespräche werden zu Gehaltsverhandlungen
Je häufiger ich diese Mitarbeitergespräche führte, desto mehr wurde mir klar:
Wird ein Mitarbeiter variabel bezahlt,
wird jedes Zielgespräch gleichzeitig eine Verhandlung über sein Gehalt.
Das ist kontraproduktiv. Sobald das eigene Gehalt von Zielen abhängig gemacht wird, sind die meisten Menschen nicht mehr motiviert über anspruchsvolle Ziele auch nur nachzudenken.
Ich kann es ihnen nicht verdenken. Es ist schließlich nicht in ihrem Sinne. Es verstößt sogar gegen ihre ureigenen Interessen.
Mitarbeiter werden zu Gehaltsoptimierern!
Heute bin ich überzeugt, dass die Kopplung von persönlichen Zielen an ein variables Gehalt nichts bringt und häufig demotivierend wirkt. In vielen Fällen hat die Kopplung sogar negative Wirkung.
Stephan Heinrich gibt in seinem hervorragenden Buch „Zuckergeld und Peitsche“ ein treffendes Beispiel für die fatale Wirkung eines gut gemeinten Ziels, das an das Gehalt gekoppelt wird:
Der Vorstand einer großen deutschen Telefongesellschaft lobte eine Neukundenprämie aus. Die Vertriebsmitarbeiter sollten einen zusätzlichen Bonus erhalten, wenn sie Umsatz mit neuen Kunden generierten.
Was machten die Verkäufer? Sie bewegten ihre langjährigen Kunden zur Kündigung, um sie dann wieder als Neukunden zu gewinnen. Statt sich auf wirkliches Neugeschäft zu fokussieren, profitierten sie lieber vom einfach zu realisierenden Pseudo-Neugeschäft.
Wenn Sie finanzielle Anreize schaffen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn sich Ihre Mitarbeiter nicht auf den Unternehmenserfolg konzentrieren sondern darauf, den Anreiz zu maximieren.
Wann Bonussysteme sinnvoll sein können
Die Aussicht auf einen Bonus ist nur dann motivierend und sinnvoll, wenn Routineaufgaben nach einfachen Regeln abgearbeitet werden sollen, ein eindeutiges Ziel vorgegeben ist und der Weg dorthin klar beschrieben und nachvollziehbar ist.
In einem High-Tech Unternehmen im B2B ist das aber selten der Fall. Hier brauchen Sie Mitarbeiter, die kreativ sind, die nach- und mitdenken, die Eigenverantwortung übernehmen und zuverlässig sind.
Deshalb müssen Ihre Mitarbeiter aus sich heraus motiviert sein, also intrinsisch motiviert. Sie brauchen Mitarbeiter, die Sinn in ihrer Arbeit sehen. Versuchen Sie deshalb nicht mit einem Bezahlsystem die Mitarbeitermotivation zu erhöhen!
Die individuelle Sinngebung bleibt dabei auf der Strecke. Versuchen Sie nicht mangelnde Führung über ein Gehaltssystem zu kompensieren!
Wie sieht ein alternatives Gehaltssystem aus?
Menschen wollen fair behandelt und fair bezahlt werden. Gerade in einem Kleinunternehmen brauchen Sie dazu kein kompliziertes Gehaltssystem, sondern gesunden Menschenverstand und Einfühlungsvermögen.
Beherzigen Sie einfach folgende Regeln bei den Gehältern Ihrer Mitarbeiter:
- Führen Sie mit Zielen, aber koppeln Sie die Ziele nicht an das Gehalt!
- Vereinbaren Sie ein Festgehalt, das mit der Leistung des Mitarbeiters korreliert!
- Zeigt der Mitarbeiter anhaltende besonders gute Leistungen, erhöhen Sie sein Gehalt!
- Wenn der Mitarbeiter trotz Unterstützung ständig Minderleistungen erbringt, reduzieren Sie sein Gehalt oder trennen Sie sich von diesem Mitarbeiter.
- Zahlen Sie am Ende des Jahres an alle Mitarbeiter einen Bonus, wenn das Unternehmen gute Gewinne macht. Wenn es dem Unternehmen gut geht, dann sollten die Mitarbeiter daran partizipieren. Das ist fair. Geht es dem Unternehmen schlecht, ist aber auch klar, dass kein Bonus gezahlt werden kann.
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